Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

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Martin
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von Martin » Di 11. Dez 2012, 18:55

saskia hat geschrieben:
Martin hat geschrieben: Ich kann nicht genau erkennen wo sich der Text widerspricht. Die Aussage ist, dass Opiode verhindern können, dass sich solche chronischen Prozesse bilden, weil sie genau an der beschrieben Stelle ansetzen oder meinst Du eine andere Stelle?


Martin
Ja genau die Stelle meine ich. Also dass die Opiode die Entstehung eines Schmerzgedächtnisses verhindern. Versteh ich nicht wieso es dann doch eins gegen soll. Aber gut - vielleicht funktioniert das mit den Opioden in manchen Fällen nicht.

Wenn z.B. Bandscheibenvorfälle behoben sind, könnte es dann nicht sein, dass die Person aufgrund vorheriger Schonhaltung (und somit Verspannung/Überlastung anderer Strukturen) noch durchaus reale Schmerzen empfindet?

Ich denke schon dass Forschungergebnisse vom Menschen auf's Pferd übertragen werden können, da es allemal um "Säugetiere" geht, die doch eine Menge Gemeinsamkeiten haben. Aber vielleicht ist die Forschung noch nicht abgeschlossen, um alle Details erklären zu können.

.....
Vermutlich verstehst Du da was falsch. In dem Text wird nicht von körpereigenen Stoffen gesprochen, sondern von Tabletten/Spritzen, die der Arzt verschreibt.
Ich stecke nicht mehr tief genug in der Biochemie um da alles bis ins Detail erklären zu können. Wenn ich mich noch recht erinnere, setzt zumindest ein Teil der Opioide an den Rezeptoren an, an die sonst Botenstoffe andocken, die dem Gehirn Schmerz melden. Damit ist quasi die Leitung blockiert. Wenn aber kein Schmerz mehr gemeldet wird, werden auch keine zusätzlichen Rezeptoren gebildet. Man korrigiere mich, wenn es anders ist, aber ich habe im Moment keine Zeit pharmakologisch detailliert nachzuschauen. Ist einfach zu lange her mit meiner Biochemie/Pharmakologie.

Natürlich kann sich jeder alle möglichen Erklärungen bauen, warum ein Individuum Schmerz empfindet. Dein Beispiel ist auch nicht falsch. Ein Teil der sogenannten"Bandscheibenbeschwerden" entsteht tatsächlich muskulär und hat oft die unangenehme Eigenschaft zu bleiben, obwohl da gar keine Scheibe mehr auf den Nerv drückt. Aber das ändert natürlich nichts an dem nachgewiesenen Effekt Schmerzgedächtnis. Es gibt eben auch diese Fälle.

Das Schmerzgedächtnis eignet sich natürlich rein gar nicht als Entschuldigung für lahmende Pferde, zumal man beim Pferd schwer nachweisen kann, dass es sich um einen solchen Fall handelt. Ich weiß auch nicht, ob dieser Zustand reversibel ist, sprich ob sich die Ionenkanäle wieder schließen bzw. Rezeptoren wieder unempfindlicher werden können.
Was ich mir bei Pferden vorstellen kann, ist die Bildung eines solchen Zustandes nach einer langwierigen Sehnenverletzung mit Narbenbildung. Da hätten wir eine relativ lange Zeit, die vielleicht zur Chronifizierung ausreichen könnte und zusätzlich einen leichten Reiz im Bereich der Narbe, die überempfindliche Rezeptoren beeindrucken könnte. Aber das ist jetzt alles Spekulation.

Martin

saskia
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von saskia » Di 11. Dez 2012, 21:46

Oh - das habe ich tatsächlich falsch verstanden. Ich dachte dass der Körper selbst solche "Betäubungsstoffe" bildet. Hab ich bei mir selbst nämlich schonmal erlebt, dass ich nach einem sehr heftigen Schmerz und ein paar Minuten aua-aua-jammern und massieren, plötzlich gar keinen Schmerz mehr spürte. Musste aber nichtsdestotrotz per Notfall zum Arzt und nähen lassen. Hab die ganze Zeit absolut keinen Schmerz mehr gespürt, ohne Schmerzmittel. D.h. evtl hat mir der Arzt was verpasst, aber die ganze Zeit vorher (Hilfesuche beim Nachbarn, Fahrt zum Arzt) hatte ich nach dem heftigen Anfangsschmerz gar keine Schmerzen mehr. Dachte dass der Körper bei sehr heftigen Schmerzen irgendwie Betäubungsstoffe bildet (ich meine, auch mal sowas gehört/gelesen zu haben. Ist aber schon ewig lange hin).
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Diana
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von Diana » Mi 12. Dez 2012, 11:40

Endorphine können den Schmerz mit unterdrücken.
Ich bin mir jetzt aber nicht ganz sicher, wie das Adrenalin da mit rein spielt? Ich denke, das hat auch einen großen Anteil.

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SilentDee
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von SilentDee » Mi 12. Dez 2012, 22:32

Der Körper produziert auch Opioide usw. Das bracht er für die Schmerzausschaltung, die setzen genau dort an, wo die extern zugeführten auch ansetzen. ;)

LG

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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von Diana » Mi 12. Dez 2012, 23:02

Wiki sagt
'Endorphine sind körpereigene Opioidpeptide..'
Und da steht noch, dass Endorphin die Abkürzung für endogenes Morphin ist.

Silent, weisst Du, in wieweit da das Adrenalin mit reinspielt? Gerade bei Schock ist ja meist erst einmal kein Schmerz zu spüren- nur Endorphin oder vor allem Adrenalin?

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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von saskia » Do 13. Dez 2012, 20:36

Hach ihr gebt mir die Hoffnung zurück :) War doch bisher immer eine beruhigende Vorstellung, dass Schmerz irgendwo aufhört und nicht bis ins Unendliche steigt (normalerweise). Und dass man nicht wegen jedem heftigen oder länger anhaltenden Schmerz 'ne Volldröhnung vom Arzt holen muss, aus Angst dass es sonst chronisch werden könnte.

Bei sehr starkem Schmerz werden manche Menschen ja bewusstlos und kriegen dann den Schmerz nicht mehr mit. Wenn nun aber der Wille sagt "du kannst es dir grad nicht leisten, bewusstlos zu werden" (z.B. weil allein im Haus und keiner würd mich vorerst finden), dann schaltet irgendwas im Körper den Schmerz aus (oder dämpft ihn ins Erträgliche), sodass man zumindest noch so lange durchhält bis man sich in Sicherheit weiss.
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von Diana » Do 13. Dez 2012, 22:05

Saskia, so ganz kann ich das nicht bestätigen. Daher frage ich mich, inwiefern das Adrenalin da mit rein spielt.

Ich hatte nach einem Unfall höllische Schmerzen und war froh, als sie mich dann richtig weggebeamt haben. :(

Zwecks dem Schmerzgedächtnis: das werden wir wohl nie so ganz wissen. Ich denke aber auch, daß Tiere einfach im hier und jetzt sind und daher wohl eher kein so ausgeprägtes Schmerzgedächtnis (wenn sie überhaupt eins haben) haben. Wie Du schon geschrieben hast: ich denke auch, daß sie Erfahrungen verarbeiten und daraus lernen und sich dementsprechend verhalten.
Ich fand das bei meinem Kater spannend, der ist 1 Tag nach der Kastration vom ca. 1 1/2 m vom Baum auf den Boden gehüpft. Ich dachte nur *aua*. Ihm hat in dem Moment (zumindest vor dem hüpfen..) nichts weh getan, warum dann auch schonen..

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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von saskia » Do 13. Dez 2012, 22:42

Na ja, ich sagte ja auch "normalerweise". Ausnahmesituationen gibt es sicher. Aber daran mag ich lieber nicht denken. Die Vorstellung, dass der Körper selbst etwas gegen den übermässigen Schmerz tun kann (oder "könnte"), finde ich einfach beruhigend. Ich hatte auch schonmal ganz GANZ üble Zahnschmerzen (Ca 1/2 oder 1 Std NACH einer ZA-Behandlung (ich denke, da war die Wirkung der Betäubungsspritze zuende. Das war wegen einer entzündeten Wurzelgeschichte, soweit ich mich erinnere. Normale Sachen lasse ich nämlich immer ohne Spritze machen.). Ich hatte gedacht dass es nach der behandlung besser werden müsste, aber es wurde erstmal noch mindestens doppelt so schlimm. Ich konnte mich mit nichts beschäftigen zum Ablenken, auf nichts konzentrieren, nicht mehr klar denken. Tabletten hatte ich auch nicht mitbekommen, weil sowas wohl nicht erwartet wurde. Da ich total nichts tun konnte, hab ich mich einfach ins Bett gelegt und bin dann trotz oder gerade wegen der schlimmen Schmerzen eingeschlafen. Als ich wieder aufwachte, waren die Schmerzen weg. Ich denke, da hat sich der Körper auch mit "wegtreten" den Schmerzen entzogen.
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Re: Schmerzgedächtnis contra Schmerzen kompensieren

Beitrag von Scheckenfan » Fr 14. Dez 2012, 13:52

Ich denke, man muss einen Unterschied machen zwischen einer "Erinnerung an Schmerzen", die bei Pferden, Menchen und sonstigen Säugern definitiv vorkommt, und dem krankhaften Zustand des Schmerzgedächtnisses.
Hab letzten zufällig was über chronische Schmerzen gesehen, es gibt inzwischen eine möglichkeit, chronisch die Nachricht "Schmerz" sendende Nerven "umzupolen" mittel gezielter Stromstimulation. Danach sind dan die chronischen Schmerzen weg, es liegt also in wenigen Fällen tatsächlich an den Nervenzellen.
Ist aber insgesamt sehr sehr selten. Ob's das bei pferden auch gibt? Könnte schon sein, ist aber sicherlich nicht sehr erforscht, denke ich.

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