Hallo,
vielleicht kann ich ein wenig vermitteln. Zur Erklärung: Ich habe vor etwa 10 Jahren von einem der ersten Biernat-Schüler meine ersten Schritte der Hufbearbeitung abgeschaut. Inzwischen würde ich längst nicht mehr sagen, dass ich "nach Biernat" arbeite, verwende jedoch einige Techniken von Fall zu Fall.
Der Innentragrand in Kombination mit der Reetdachstruktur wird nur an minderbelasteten Wänden angebracht, um den Abrieb dort zu fördern und damit den Huf in eine gleichmäßigere Belastungssituation zu bringen.
Hier ein Beispiel eines schiefen Hufes:
Die verbogene Wand der minderbelasteten Seite wird von außen beraspelt und gleichzeitig der Tragrand von innen/unten mit dem Hufmesser scharfkantig herausgearbeitet. Der Tragrand wird nicht von unten gekürzt - dies wurde von Biernat-HO damals kategorisch abgelehnt. Berundet wird ebenfalls nicht.
Meine Erfahrung damit: Die Methode funktioniert meiner Erfahrung gut zur Verbesserung schief belasteter Hufe. Wenn man ein Abriebintensives Gelände hat, wie ich es habe, kann es sein, dass man wie oben bearbeiteten Tragrand in einem Ausritt runterreitet. Dann hat man sein Ziel ja erreicht

, denn auf der anderen Hufseite war der Abrieb wesentlich geringer und der Huf ist nun schon gleichmäßiger. Ich bin irgendwann dazu übergegangen, die meisten zu langen und minderbelasteten Wände gleich zu kürzen, weil das im wesentlichen den selben Effekt hat wie es beim nächsten Ausritt runterzureiten... Voraussetzung hierfür ist natürlich, häufig genug die Hufe zu bearbeiten.
Die oben beschriebene Methode funktioniert meiner Erfahrung nicht bei
a) zu langen (auch untergeschobenen) Trachten
b) sehr großen Tragrandüberständen
c) Pferden mit wenig Abrieb (Weide)
--> a) Der erhöhte Abrieb entsteht ja auch dadurch, dass die Wand durch das Raspeln dünner ist. An den Trachten ist es aber nicht möglich, diese stark genug zu schwächen, insbesondere dann, wenn bei untergeschobenen Trachten die Wände platt auf dem Boden liegen und die Trachtenecken viel zu weit vorne liegen. Mir fiel auch immer auf, dass Biernat kein Kriterium kommunizierte, an dem man einen zu steilen Huf erkennen konnte.
-->b) Entweder passiert gar nichts (Huf bleibt auf ewig zu lang) oder der Wandüberstand bricht ungleichmäßig weg
--> c) ist offensichtlich
Fatal ist es meiner Erfahrung nach, den Innentragrand dort anzuwenden, wo der Huf die richtige Länge hat oder gar bereits zu kurz ist, indem (in der Regel nur ein kleines bisschen) in die Sohle geschnitten wird. Hiermit wird die Sohle immer ein wenig mehr ausgedünnt als sie nachwachsen kann. Nach einigen Monaten laufen die Pferde denn äußerst fühlig. Der Einsatz der Hufzange schützt nicht unbedingt vor diesem Fehler.
Ich bearbeite Hufe -falls verbogene Wände vorliegen- durchaus von außen. Der positive physikalische Effekt dieser Maßnahme ist die Aufhebung der Hebelwirkung der längsten, verbogensten Hornröhrchen. Hierdurch (und nicht durch die Längenvariation der Hornröhrchen) wird ein weiteres Verbiegung der Wand verhindert/ein gerades Nachwachsen gefördert. Es ist meiner Erfahrung nach nicht nötig, sehr hoch zu raspeln, denn es geht vor allem um die Ausschaltung des Bodenkontaktes. Ich beschränke mich in der Regel auf die untersten ca. 2cm. Zudem erhöht man den Abrieb an Orten, wo der Tragrand nun dünner ist. Hierdurch hat man auch ohne Innentragrand (der siehe oben eh nach ein paar km auf unseren Böden schwindet) einen formenden Einfluss, braucht hierfür aber höheren Gesamtabrieb. Ich berunde die Hufe auch leicht, um im Zehenbereich das Abrollen zu erleichtern und ein Ausfransen der Hufe auf Schotter zu verhindern. Mein Ziel ist es jedoch immer, die Wände irgendwann nicht mehr von außen zu bearbeiten. Am gesunden Huf mache ich nichts an der Wand außer leicht berunden.
Schließlich ist es nicht korrekt, dass NHC die Pferd auf der Sohle laufen ließe. Unsere Pferde haben alle einen sehr prominenten, breiten und starken Tragrand. Dieser ist an den Kanten mit einem Radius von ca. 2-8 mm abgerundet bei einer Gesamtstärke von ca. 5 bis 15 mm (Trachte bis Zehe). Auf Beton stehen die Pferde auf dem Tragrand (meist mit etwas weniger Last im Seitenwandbereich) und auf dem Strahl. Auf vielfältigen Böden übernehmen insbesondere die Randbereiche der Sohle mit Last. Einen Tragrandüberstand größer als 1-2 mm hat aber keines der Pferde und man kann machen was man will, man bekommt auch keinen (ohne das Pferd platt zu schneiden, siehe oben). Es sei denn, man stellt das Reiten ein und sperrt die befestigten Paddockteile ab...
Übrigens variiere ich die Hufbearbeitung auch je nach Einsatzbereich und Böden. Die Pferde oben laufen auf Schotter- und naturfesten (steinigen) Wald- und Wiesenböden. Wenn ein Pferd z.B. viel auf Wiese läuft, lasse ich gerne 2mm Tragrand (die sich natürlicherweise bilden) und mache den inkl. Eckstreben von innen schön scharfkantig. Das gibt einen besseren Grip als der oben beschriebene Schotterhuf.
Gruß Tina