Hufbearbeitung nach Biernat

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SilentDee
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von SilentDee » Do 31. Mai 2012, 14:59

Das stimmt schon teilweise!

Aber ich konnte auch schon das andere Phänomen beobachten, eine reheähnliche Gangart, nur eben mit Benutzung der Zehenregion, wenn Trachten extrem kurz gemacht wurden bei Pferden mit steilen Schultern usw. Die stellten die Beine dann auch sehr weit vorne raus, wahrscheinlich, weil sie mit der neuen Stellung und dem damit dann ja doch massiven anderen Zug an den Muskeln, deren Sehnen und Bändern erst mal nicht so klar kamen. da war dann die Sohle absolut unempfindlich, der Strahl total schön, die inneren Strukturen, also Strahlpolster, Hufknorpel usw. massiv gut ausgebildet, aber die Zehe noch zu lang belassen, trotz massiver Trachtenkürzung.
Ich habe also schon beobachtet, dass es zwei Pferde nicht abkonnten, extrem viel auf einmal an der Trachte genommen zu bekommen. So von Klotzhuf zu einer gewissen Kronrandverlaufswinkelung, wie sie beim anderen Extrem, der in Deutschland praktizierten Form der Strasser-Bearbeitung manchmal vorkommt. Meist stolpern diese Pferde und gehen eher zehenfußend, weil sie die noch unterentwickelnte hintere Region (Strahlpolster, Hufknorpel, Strahl, Ballenpolster usw) schonen wollen, und auch müssen, vor allem, wenn der Strahl auch noch tiefe mittlere Furchen (und seien es diese typischen tiefen dünnen Haarrisse) aufweist, denn Strahlpilz ist schmerzhaft.


Das Bremsen beim Auffußen bei langen Trachten hängt damit zusammen, dass bei langen Trachten häufig der gesamte Bewegungsablauf gestört wird. Es gibt diese schönen Darstellungen von den Bewegungsbögen in den einzelnen Gangarten. Hab das grad nicht da, versuche es vielleicht mal zu malen und einzuscannen, aber ich bin eigentlich künstlerisch total inkompetent. ;) Weiß Jemand, was ich meine? Der Bogen, den der Huf in der Luft beschreibt, sollte gleichmäßig sein, bis er wieder aufsetzt, das Bein sollte gestreckt sein und gerade in allen Gelenken am Unterbein zum Zeitpunkt des Auffußens... Sind die Trachten zu lang, die Zehe eckig abgeschmirgelt durch das vorherige Zehenschleiffen oder stolpern, so fusst das Pferd zu früh ab, bekommt das Bein aber gar nicht ganz gerade zum Auffußen, es klappt dann ein wenig von Trachte auf Mittelfuß - um das zu vermeiden verkürzt es den Schritt und tritt plan auf. Was der hinteren region und den Sehnen nicht gerade zuträglich ist. Weiten tun sich solche Hufe nicht gut. Und durch die zu langen TRachten hängt der Strhl meist verkümmert in der Luft herum...

Man muss also den richtigen weg finden, die Trachten zu kürzen, so dass das Pferd mit geradem Bein auffußen kann, damit die stoßdämpfenden Bereiche optimal arbeiten können (kräftigen sich dadurch noch mehr und weiten die hinteren Hufbereiche), aber gleichzeitig auch den Abrollpunkt nicht nach vorne raus öassen, sondern zurücksetzen, damit die Zehe nicht stört, damit sich dann der ganze Huf in seiner Statik aufrichten kann... Das Pferd fusst dann gut und gesund ab, der Bewegungsbogen ist gleichmäßig, es kommt sich nicht mit den Hinterbeinen in die Quere (häufig gibt es auch mal Ballentritte bei zu langen Trachtenhufen mit zu langer Zehe) und kann das Bein dann strecken zum Auffußen, was dem ganzen Bein mit seinen Strukturen den minimalsten Verschleiß gibt. Ich möchte ja langfristig nicht nur gute Hufe, sondern auch arthrosefreie, spatfreie (usw.) Pferdebeine! :D Dem kommt natürlich auch die gute Durchblutung durch den nun maximal funktionierenden Hufmechanismus und die dadurch gewährleistete Beindurchblutung mit guter Versorgung der Strukturen am ganzen Pferdebein zugute.

Je gesünder die Strahlregion und je besser aufgebaut in seinen bindegewebigen Strukturen der Strahl, sein Strahlpolster, die Hufknorpel usw. sind, desto lieber mag ein Pferd so gesund gehen.

Ich hatte mal eine Thermographiekamera ausgeliehen, und ein Pferd mit einem lahmen Bein (schonte den Trachtenbereich - hatte Blutblase im Strahl, wurde später festgestellt, hatte also einen schmerzhaften hinteren Hufbereich und ging deswegen an diesem einen Bein in Zehenfußung und dadurch auch lahm) thermographiert. Nur durch das Schonen des hinteren Hufbereiches ergab sich also folgendes Wärmebild:
Bild
Seit diese Verletzung ausgeheilt ist, läuft das Pferd übrigens wieder in Trachtenfußung mit tollem Abrollen (wie vor der Verletzung) über jeden Boden lahmfrei! :dance: (Ich freu mich so, weil es mein eigenes Pferd ist! ;) Ich reite also wieder auf meinem Gravelcruncher... :mrgreen: )

Und ich konte an sehr vielen Pferden eine veränderte Fußung feststellen durch Kräftigung des hinteren bindegewebigen Bereichs und Kürzen der Trachten, wobei ich immer darauf achte, nicht so viel auf einmal zu kürzen (wobei ich für andere echt rabiat ran gehe :D , siehe Spanier Diego), so dass das Pferd wieder durch Autsch hinten in Zehenfußung landen könnte. Aber man muss das austarieren, zu zaghaft, und es verändert sich nichts zum Positiven, und ich empfinde eine Fehlbelastung des ganzen Beines durch falsche Fußung als schlimmer (auch in den Langzeitfolgen) als ein Pferd, was evtl. anfangs mal gepolsterte Schuhe drunter bekommen muss, denn die Polsterung wirkt sich durch die weiche Massage super effektiv auf die Entwicklung es hinteren Bereiches und damit dessen Kräftigung aus! :D

Ist halt nie ein Schema F mit Größen- oder Winkelangaben...

Die Federung laut Biernat kommt durch die angenommene Aufhängung des Hufbeins im Hufbeinträger, hat mir mal ein netter Biernat'ler erklärt. Erschliesst sich mir nicht ganz, denn der Aufbau der Sohlenlederhaut = Aufbau der Kronlederhaut (Papillen) und die Pferde laufen ja eh auf den Zehenspitzen und sind deshalb ja nicht wirklich mit unserem Gang zu vergleichen... Und warum sollte unser Fingernagel unser ganzes Gewicht tragen, nur weil er im Nagelbett gebaut wird und seitlich mit dem Finger in einer Lederhaut verwachsen ist? Kurze Fingernägel sind angenehmer, wenn ich versuche, Gewicht drauf zu bringen, als lange Fingernägel - denn sonst reissen sie ab, herren und hebeln seitlich weg, reizen das Nagelbett und entzünden es (jeder weiß, wie schmerzhaft ein untergehakter und halb gelöster Fußnagel ist) und man kann dann dadurch seinen Nagel verlieren... Lieber trägt ein Teil der Fingerspitze mit, und zwar das Hauptgewicht...
(Dieser Punkt ist, glaube ich, einer der Hauptunterschiede des Verständnisses der Hufanatomie und Funktionalität zwischen JB und mir, die Bearbeitung folgt ja aus diesem Verständnis heraus)

Na, ja, egal, ich muss los.

Vielleicht hat ja Jemand das Bild mit den Gängen und den Bögen, sonst (ich drohe jetzt damit ;) ) muss ich wohl mal den Bleistift schwingen, und dann, glaubt mir, seid Ihr verwirrt! :lol:

Lieben Gruß

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Do 31. Mai 2012, 15:04

stormel hat geschrieben: Mal angenommen das Pferd würde die Hufe immer genau gleich bewegen beim Aufsetzen.
Ist die Trachte zu kurz, so hat Sie später Bodenkontakt beim Auffußen als bei richtiger Länge, im extremfall erst nach der Zehe. Mal ganz davon abgesehen das Sie warscheinlich auch eher schmerzt.
Naja, nach der Zehe wäre ja eine Zehenfußung. Das sehe ich eh kritisch, denke aber nicht, dass es mit der Trachtenlänge zu tun hat. Eher mit schmerzendem Strahl.

Ist die Trachte zu lang, so bekommt sie im normalen Bewegungsablauf früher Bodenkontakt als bei richtiger Länge. Und bremst dadurch den Huf vorzeitig ab.
Möglich....


Woran machst du denn die richtige Trachtenlänge fest?
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von stormel » Do 31. Mai 2012, 15:32

Tja, gelernt habe ich das der Huf einen LEICHTEN Tragrandüberstand haben sollte und die Trachtenendkannte paralell zur Zehenwand sein sollte. Daraus ergibt sich die Trachtenlänge.
In Bezug auf das Auffußen war die Trachtenlänge nie ein Thema im Unterricht. :shifty:

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Scheckenfan » Do 31. Mai 2012, 15:44

stormel hat geschrieben:Mal angenommen das Pferd würde die Hufe immer genau gleich bewegen beim Aufsetzen.
Ich würde sagen, da liegt doch schon der Haken?

Um wieder zum unpassenden Mensch-Vergleich zu kommen: Ich laufe mit Stöckelschuhen anders als mit Turnschuhen und wieder anders barfuß. Und wenn ich die Schlappen von meinem Freund anziehe, muss ich wieder anders laufen.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Martin » Do 31. Mai 2012, 15:58

stormel hat geschrieben:Tja, gelernt habe ich das der Huf einen LEICHTEN Tragrandüberstand haben sollte und die Trachtenendkannte paralell zur Zehenwand sein sollte. Daraus ergibt sich die Trachtenlänge.
In Bezug auf das Auffußen war die Trachtenlänge nie ein Thema im Unterricht. :shifty:
Das finde ich auch nicht weiter schlimm, dass es nicht Teil des Unterrichts war. Wir müssen einfach akzeptieren, dass sich die Erkennisse weiterentwickeln.
Man muß die Thoerien über die Funktionalität der Hufe ja immer auch historisch sehen. Als Strasser ihre Eimertheorie verbreitete, da gab es meines Wissens keine anderen Funktionsmodelle. Sie leitete auf Basis dieses Modells die Forderung der maximalem Beweglichkeit im Trachten/-Eckstrebenbereich ab.
Biernat hat dann ein andere Theorie entwickelt (Wann was passierte, weiß ich nicht, also bitte nicht schlagen, wenn Biernat schneller als Strasser war. :oops:) und hatte gute Gründe der strasser'schen Theorie zu wiedersprechen. Aber vermutlich ging Biernat von dem Ideal einer planen Fußung aus. Dann macht sein Modell Sinn.
Bowker hatte nun die Möglichkeit viel tiefer zu forschen, als das Strasser und Biernat konnten und hat darauf ein anderes Modell entwickelt, eher weg von der Kapsel, mehr hin zum Hufknorpel als Schlüsselgewebe. Daraus folgte er, dass die Trachtenlandung die physilogische und der Schlüssel zu einem gesunden Huf ist.

Im Moment erscheint mir das Bowkermodell am schlüssigsten, weil es sehr viel erklärt, was die anderen Modelle eher nicht machen. Aber wie alle Modelle hat auch dieses nur solange Bestand bis es ein neues, bessers gibt, mal ganz abgesehen davon, dass es eben immer nur Modelle sind und nie die ganz Wahrheit.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Do 31. Mai 2012, 16:12

Martin hat geschrieben:mal ganz abgesehen davon, dass es eben immer nur Modelle sind und nie die ganz Wahrheit.
Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt, den man nie vergessen sollte.
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von stormel » Do 31. Mai 2012, 17:48

Scheckenfan hat geschrieben:
stormel hat geschrieben:Mal angenommen das Pferd würde die Hufe immer genau gleich bewegen beim Aufsetzen.
Ich würde sagen, da liegt doch schon der Haken?

Um wieder zum unpassenden Mensch-Vergleich zu kommen: Ich laufe mit Stöckelschuhen anders als mit Turnschuhen und wieder anders barfuß. Und wenn ich die Schlappen von meinem Freund anziehe, muss ich wieder anders laufen.

entschuldigung, du hast natürlich recht.aber nur so konnte ich es anschaulich erklären.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von stormel » Fr 1. Jun 2012, 21:13

Also ich bin dan mal für eine Woche im Urlaub. :dance:
Wünsche Euch viel Spaß.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Fr 1. Jun 2012, 21:15

Viel Spaß im Urlaub! :)
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von stormel » Fr 1. Jun 2012, 21:46

Heringsdorf auf Usedom. :D

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