Die Crena und die Evolution

Alles was den Huf gesund erhält bzw. Hufkrankheiten
Evolution
Beiträge: 221
Registriert: Fr 21. Sep 2012, 18:39
Service: Biete: alle Arten kurioser Informationen und überflüssigen Wissens.
Suche: mehr Input!
:-)
Wohnort: Berlin

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Evolution » Sa 9. Nov 2013, 22:04

Also ich hab' jetzt noch mal im Forum gesucht nach Beiträgen, die sich irgendwie mit diesem Thema beschäftigen. Ich habe zwei gefunden - wie sollt's anders sein, von Marina. ;)
Aus "Noriker Willi"
SilentDee hat geschrieben:Ich meine, damals von einer Crena gesprochen zu haben. Das ist ja eine Einziehung an der Hufbeinspitze, die viele Pferde haben...

Ich habe eine ganz andere Theorie zu Hornsäulen, ich sehe immer nur Hornsäulen, wenn der Huf eine sehr heftige Problematik des Stabilitätsverlustet aufweist - ich frage mich also immer, was zuerst da war. Ist die Hornsäule nicht vielleicht ein Symptom der Hufproblematik, und nicht die Ursache.
Aus "Hornsäule im tv"
SilentDee hat geschrieben:Zumal meist Hornsäulen operiert werden, wenn sie einen Röntgenbefund haben. und die soll die Furche sich schliessen, die im Hufbein entstanden ist, wenn nicht durch hartes Horn, was die Löcher füllt... Rezidive sind daher super häufig.

Leider, denn die OP ist sehr langwierig mit der Nachsorge, und wenn dann nochmal nach einem Jahr eine Hornsäule an gleicher Stelle auftaucht, kommen die Pferde häufig "in die Wurst", weil der Besi dem Pferd die gleiche Tortur nicht noch mal antun möchte...

Dabei hat das Pferd die Hornsäule ja vielleicht auch, weil die einen stabilisierenden Faktor am ansonsten evtl. kollabierenden Huf hat, was lange Zeit gar nicht bemerkt wurde, weil die Hufe immer erst dann auffallen, wenn eine Lahmheit auftritt...

:(

Ich habe schon Hornsäulen gesehen an der Crena. ;)

Und ich habe Hornsäulen an hohlen Wänden gesehen, oft unter Seitenwandrissen bei platt kollabierten Hufen... oder bei extrem zehenfußenden Pferden rechts und links von der Abrollkante...

Wenn man in diesen Fällen über den Sinn und Unsinn solcher stabilen Harthornsäulen an eben diesen Stellen und kranken Hufen nachdenkt, dann ist man manchmal sogar dankbar, dass sie entstanden sind. Und wenn der Huf seine problematik verliert, verschwindet oft sogar die Hornsäule... ohne massiv invasiven Eingriff. Hab ich auch schon gehabt. Wenn man die krankhaften Zustände nicht irgendwann mal beseitigt, sondern das Pferd munter weiter benutzt, kann die schon mal ausufern, oder? Gerade bei den oft widernatürlichen Haltungsbedingungen der Pferde. Würde da gern mal Statistiken zu haben, wie die Pferde an den Hufen aussahen, wie sie liefen, die Nutzungsart und Haltungsbedingung dazu...

Aber vermutlich gibt es kaum statistische Erfassungen in solchem Umfang, oder? :cry: (wollen wir? ;) )

Daher meine Meinung, die natürlich nicht schulmedizinisch und wissenschaftlich belegt ist, sondern nur auf meinen eigenen Erfahrungen, Kenntnissen und Beobachtungen basiert.
Dieser letzte Beitrag geht so in die Richtung von dem, was ich suche... Eine "Abflachung" an der Spitze des Hufbeins mag noch physiologisch sein - keiner von uns hat völlig gerade Knochen wie aus dem Lehrbuch. Ein Pferd sicher auch nicht. Eine tiefe Crena ist aber sicher nicht so "gedacht" von der Natur. Die Frage ist jetzt nur: ist sie bei bestimmten Pferden (fast) unvermeidlich, weil sie zu groß und zu schwer gezüchtet sind (="evolution in progress"), oder könnte ihre Entstehung durch gute Hufpflege vom Fohlenalter an verhindert werden (= rein pathologischer Prozeß)? Wenn ja - wie sähe diese Hufpflege für diese (schweren) Pferde aus? Was wäre der sinnvolle Weg, ein Pferd mit schon leichtem vorhandenen Defekt zu bearbeiten, um den Umbauprozeß zumindest aufzuhalten und eine weitere Zerstörung des Knochens zu verhindern?

Nachtrag: hat jemand Oxsprings von wilden Pferden? Möglichst viele...? *seufz* Okay, da scheitert's schon wieder...

Benutzeravatar
Nupur
Beiträge: 431
Registriert: Fr 7. Jun 2013, 00:53
Einzugsgebiet: Region Hannover

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Nupur » Sa 9. Nov 2013, 22:16

Ok, wirr ausgedrückt. ;)
Habe heute schon viel gedacht und geredet.

Wenn die Herren Professoren dem Pferd nur einen Finger zugestehen, obwohl eine andere Tierart mit gleichem Bauplan auf zweien steht, dann erscheint mir das Eine genau so unlogisch, wie eine Verdopplung. Eine Verschmelzung hingegen würde Sinn ergeben.

Gäbe es Funde, die uns in dieser Frage weiterhelfen würden, bräuchten wir nicht drüber zu philosophieren.

In der praktischen Erfahrung ist das natürlich eine Sollbruchstelle. Welche kaum Probleme bereitet bei noch so großen Zehenhebeln, aber viele Probleme bei kurzer, schwebender Zehe und tragenden Seitenwänden. Das bestätigt die Beobachtung aus dem Eingangsposting.

Evolution
Beiträge: 221
Registriert: Fr 21. Sep 2012, 18:39
Service: Biete: alle Arten kurioser Informationen und überflüssigen Wissens.
Suche: mehr Input!
:-)
Wohnort: Berlin

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Evolution » Sa 9. Nov 2013, 22:20

Nupur, es GIBT Funde. Jede Menge!
Glaub's mir bitte jetzt einfach - ich hab' Jahre meines Lebens mit genau dem Thema zugebracht und ich such' Dir auch gerne noch mal ein paar Sachen aus dem Netz dazu raus, aber nicht jetzt...

Ich hab' noch einen dritten Beitrag gefunden:
(ich glaube in RöBis Sky oder so...)
SilentDee hat geschrieben: Eine Crena habe ich auch schon bei sehr trachtenfußenden Barhufpferden, die eher weite und entspannte Hufe haben, gesehen. Oft sind das die Pferde, die dazu tendieren, die Zehenwand sehr gerade zu bekommen, wenn die Bereiche links und rechts der Abrollrichtung zu sehr hebeln. Irgendwann reissen diese Hufe dann vorne mittig, aber eine lange Zeit ist der Hornschuh eher platt gerade. Und von unten sieht man dann auch diese Schwachstelle im Horn.
Das wäre ja dann genau das, was ich unter "pathologisch" beschrieben hatte.

Benutzeravatar
Nupur
Beiträge: 431
Registriert: Fr 7. Jun 2013, 00:53
Einzugsgebiet: Region Hannover

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Nupur » Sa 9. Nov 2013, 22:23

Evolution hat geschrieben:Nachtrag: hat jemand Oxsprings von wilden Pferden? Möglichst viele...? *seufz* Okay, da scheitert's schon wieder...
Da würde ich mal Brian Hampson anrufen.

Ok, wenn es die Funde gibt, dann brauchst Du doch nach einer evolutionären Veränderung auch nicht zu fragen, oder? Dann bleibt nur noch die Lasttheorie. Verstehe gerade nicht, was Du möchtest.

Evolution
Beiträge: 221
Registriert: Fr 21. Sep 2012, 18:39
Service: Biete: alle Arten kurioser Informationen und überflüssigen Wissens.
Suche: mehr Input!
:-)
Wohnort: Berlin

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Evolution » Sa 9. Nov 2013, 22:41

Öh... ich glaub', Du hast mich mißverstanden, vielleicht war's nicht klar ausgedrückt. "evolution in progress" ist ein relativ willkürlich gewählter Begriff, um eine morphologische Veränderung, die sich aufgrund anderer körperlicher Merkmale (Größe, Gewicht, damit also durch Hufbearbeitung nicht beeinflußbare Biomechanik) manifestiert von einem rein pathologischen Geschehen (Ausbildung einer massiven Crena aufgrund von Imbalancen im Huf) abgrenzen zu können.
Zu "evolution in progress" bin ich gekommen, weil wir Menschen das Pferd einer künstlichen Selektion auf bestimmte Eigenschaften unterzogen haben, ohne dabei die entstehenden Nachteile kompensieren zu können. In diesem Fall den Nachteil des Knochenabbaus.
Jedes Pferd, das in der Natur ein bißchen weniger fit ist, wird weniger Nachkommen haben als ein kerngesundes. Heutzutage ist es bei 'nem Modehengst total wurscht, ob der auf bröckeligen Knochen steht - wenn er hält bis er 10 ist, hat er eine vierstellige Zahl an Kindern... Sinngemäß galt das auch vor mehreren 1000 Jahren: wetten, daß der erste Schimmel so oft wie möglich verpaart wurde, weil man noch so ein schönes weißes Pferd haben wollte? Selbst wenn er ansonsten vielleicht ein total renitentes Viech war oder beim Reiten schon nach 10 km schlapp machte...

Benutzeravatar
Pferdefreund
Beiträge: 1443
Registriert: Mi 22. Feb 2012, 15:11

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Pferdefreund » Sa 9. Nov 2013, 23:20

also ich bin kein Palaeontologe, habe noch nie fossiele Pferdeknochen persoenlich gesehen aber ich bin ziemlich fest davon ueberzeugt, dass das Crena kein pathologischer Zustand ist, sondern ein evolutionaeres Relikt. Es ist viel zu haeufig anzutreffen, es hat ein eindeutige genetische Komponente, kann schon im ungeborenen Fohlen gefunden werden. Auch die Form des Crena kann nicht durch irgendwelche unnatuerlichen Kraefte erklaert werden. Wenn das Pferd z.B zu steil steht dann erodiert die Spitze so dass sie abflacht, sie wird aber nicht V-foermig abgebaut.

Das Ganze hat aber nichts mit dem Paarhufer-Unpaarhufer split zu tun, zumindest nicht soweit ich das weiss, sondern einfach mit der Anatomie des P3 der Vorfahren unseres modernen Pferd. Im Anhang der Auszug aus

http://www.amazon.com/Equine-Podiatry-A ... 0721603831

Seite 108.
crena1.jpg
crena2.jpg

Benutzeravatar
Pferdefreund
Beiträge: 1443
Registriert: Mi 22. Feb 2012, 15:11

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Pferdefreund » Sa 9. Nov 2013, 23:37

P.S. man sieht das Crena auch in diesem 4.8 Mio Jahren alten fossilen Knochen:

http://mollyshoofjourney.blogspot.de/20 ... -bone.html

Es hat sich schon stark zurueckentwickelt, ist aber noch deutlich zu sehen.

Das Archeohippus aus der Abbildung 7-11 ist aus dem Oligozaen, also zwischen 20-30 Millionen Jahren alt. Hat sich also einiges getan in den 15 Millionen Jahren bzgl Rueckentwicklung des "center notch", wie das crena im englischen Sprachgebrauch auch heisst.

EDIT:
Habe nochmal ein bisschen weiter nach fossilen Pferde Knochen gesucht. Und was sehr interessantes gefunden, ein Fall von Konvergenz:

Dieses "Pferd" ist ein Thoatherium:

http://books.google.de/books?id=K1upTam ... se&f=false

aus:
Fossil Horses: Systematics, Paleobiology, and Evolution of the Family Equidae
By Bruce J. MacFadden


Thoatherium sah aus wie ein Pferd war aber nicht mit dem (Vorfahren des) Pferdes verwandt. Es hat jedoch fast die gleiche Anatomie des distal phalanx, laeuft auf P3 und P3 hat eine tiefe Furche. DAS wusste ich jetzt echt auch nicht, total faszinierend.
http://de.wikipedia.org/wiki/Thoatherium


Die Furche in P3 ist auf jeden Fall ein sehr altes, und scheinbar auch sehr hartnaeckiges Relikt. Wer weiss, am Ende ist es noch zu irgendwas gut. Da muessen vermutlich noch mehrere Forschergenerationen vergehen, bis wir da eine Antwort haben.
fossil.jpg

Benutzeravatar
Pferdefreund
Beiträge: 1443
Registriert: Mi 22. Feb 2012, 15:11

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Pferdefreund » So 10. Nov 2013, 02:46

das ist auch noch sehr cool, Neohipparion, soweit ich weiss ein echter Verwanter des heutigen Pferdes.

Bild

Evolution
Beiträge: 221
Registriert: Fr 21. Sep 2012, 18:39
Service: Biete: alle Arten kurioser Informationen und überflüssigen Wissens.
Suche: mehr Input!
:-)
Wohnort: Berlin

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von Evolution » So 10. Nov 2013, 08:01

*michbeschämtindieEcketroll*
Pferdefreund, danke.
Ich hab' gestern recht hoch Fieber gehabt - ist schon spannend, auf was für Ideen man da kommt (immerhin find' ich es faszinierend, daß ich zwar relativ klar formuliert habe, es aber für eigenes Hinterfragen meiner Gedanken nicht mehr reichte...). Natürlich hast Du Recht - ich habe mich im wahrsten Wortsinne "vergaloppiert", ziehe also (fast) alles zurück und behaupte das Gegenteil :mrgreen:
Nupur, brauchst Du noch links zur Fossilgeschichte der Paarhufer? Wenn ich weiterhin so einigermaßen klar bin wie jetzt, geh' ich gerne mal gucken, was ich da finde (ansonsten in den nächsten Tagen) - die sind stammesgeschichtlich ein bißchen "schwieriger" als die Unpaarhufer.
Und jetzt geh' ich noch ein bißchen weiterschlafen, vielleicht kann ich mich dann nachher zu meinem eigenen Unpaarhufer bringen lassen, um immerhin mal die Nase zu kraulen.

Benutzeravatar
TinaH
Beiträge: 2525
Registriert: Mi 9. Jan 2013, 12:50
Service: reine private Selbstversorung von 12 zarten Hüfchen
Wohnort: Kreis Gießen
Kontaktdaten:

Re: Die Crena und die Evolution

Beitrag von TinaH » So 10. Nov 2013, 11:31

:banana-rock: :greetings-clapyellow: :happy-cheerleadersmileygirl: :happy-wavemulticolor:

Also sind meine Pferde völlig normal, wenn sie ne Crena haben :mrgreen:

Bzw. sind sie nicht so überzüchtet wie solche, die keine Crena haben :teasing-neener:

Sehr fein, eine Sorge weniger :lol:
Gesendet von meinem verkabelten Computer mit echter Tastatur!

Antworten