XX-Wallach, einseitiger Bockhuf, sehr schwache Substanz

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greenorest
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XX-Wallach, einseitiger Bockhuf, sehr schwache Substanz

Beitrag von greenorest » Fr 4. Jan 2013, 21:44

Hallo,

hier von mir ein -abgeschlossener- Fallbericht:

Pferd: XX-Wallach von der Rennbahn, heute ca. 15 Jahre alt. Seit >5Jahren bei der jetzigen Besitzerin.
Haltung: Nachts Box, tagsüber Auslauf oder Weide in der Herde.
Nutzung: Freizeit - und Distanzpferd, bisher bis KDR.
Vorgeschichte: In der Anfangszeit bei seiner jetzigen Besitzerin war das Pferd herkömmlich beschlagen. Und obwohl wohl alle beschlagstechnischen Tricks ausprobiert wurden, war das Pferd nicht reitbar. Die Hufe "zerbröselten" wohl nach ca. 1/2 Jahr Dauerbeschlag so derart, dass kein Beschlag mehr vernünftig hielt. Herkömmliche Hufbearbeitung war hier am Ende.
Erster Lichtblick: Die Besitzerin experimentierte mit Hufschuhen und fand heraus, dass das Pferd mit Renegades laufen konnte. Mit im wesentlichen "unbearbeiteten" Hufen und Renegades war das Pferd das erste Mal in seinem Leben reitbar. Es lief erfolgreich seine erste Distanz, auf der ich Pferd und Reiterin kennenlernte.
Einige Monate später (irgendwann im Spätsommer 2011) war ich das erste Mal vor Ort: (bitte entschuldigt die supoptimalen Bilder)

Das Pferd stand immer so da:
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Der Huf vorne rechts ist steil und völlig unbalanciert. Leider ist es auf dem dunklen Foto nicht sichtbar, der Huf hat aber in der Zehenwand eine tiefen, durchgehenden Riss. Dieses Problem bestand jahrelang.
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Der Huf vorne links ist entsprechend flach:
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Alle Hufe haben extrem schwache innere Strukturen, 3 Hufe tief in die mittlere Strahlfurche reichende Strahlfäule. Das gesamte Hufhorn ist sehr dünn und schwach, ohne Hufschutz läuft das Pferd nicht gut. Es trägt im Paddock häufig Krankenschuhe.
Maßnahme: Kürzen der Trachten am rechten Huf, balancieren und Bearbeiten der flügelnden Wände. Die Besitzerin bekommt von mir Anleitung vom Selbstraspeln.
Mein nächster Besuch war im Sommer 12:
An diesem Termin habe ich für ausgiebige Trainingsritte Renegades geklebt, daher ist die Hornwand so gekratzt.
Huf vorne rechts: Der Riss ist weg, der Winkel schon deutlich verbessert. Das Pferd steht geschlossen.
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Der Huf vorne links hat noch eine verbogene Zehenwand:
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Mit geklebten Renegades läuft das Pferd wie ein junger Gott - aber dauerhaft drauflassen ruiniert einem natürlich die Hufform. Nach einer Klebeperiode von ca. 3 Wochen lief das Pferd daher wieder mit Schuhen.

Heute habe ich das Pferd wieder besucht:
Der rechte Huf sieht jetzt ganz gut aus (die Außenwand war etwas weg geflügelt) - die Zehenwand ist gerade, die Trachten deutlich kürzer. Die Strahlfäule und der Riss sind weg.
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Der Huf vorne links hat nun eine gerade und etwas aufrechtere Zehenwand.
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Weiterhin steht das Pferd geschlossen auf allen 4 Beinen und trabt deutlich gleichmäßiger als zu Beginn mit dem ausgeprägten Bockhuf (war nie lahm, sehr leichte Ungleichheit wurde von Distanz-TA nie beanstandet). Geritten wird das Pferd weiterhin mit Schuhen, für Distanzritte ist Kleben geplant. An den inneren Strukturen ist kein Wunder geschehen, jedoch sind sie kräftiger geworden. An allen Hufen ist so etwas wie Sohlenwölbung entstanden und eine gewisse Hornsubstanz ist gewachsen. Auch wenn das Pferd ohne Hufschutz nicht reitbar ist (unsere Wege: 99% Schotter, oft grob), so hat es doch ungeritten mit ein paar Steinen kein Problem mehr.

Fazit:
Die Hufe des Wallachs sind auch heute noch alles andere als "gute Hufe". Es sind ehrlich gesagt die schlechtesten, die ich kenne. Die ganze Substanz ist immer noch schwach.
Aber:
Selbst mit einer denkbar schlechten Ausgangsituation (Zuchtauswahl, Aufzucht, Hufbehandlung als Jungpferd) schaffte es die Besitzerin mit ein paar Tipps von mir (ich selbst habe dieses Pferd nur 3x bearbeitet) die Hufe doch sehr deutlich zu verbessern. Das wichtigste an der Sache ist, dass diese Hufverbesserung es diesem Pferd es ermöglicht, endlich zu LAUFEN. Dafür ist der Kerl geschaffen ;-) Mit diesen Hufen und passendem temporären Hufschutz ist er uneingeschränkt einsetzbar. Das Pferd ist enorm schnell und leistungsbereit - wenn die Besitzerin Lust hat, wird sie ihn auch auf längeren Ritten vorstellen.

Dies zum Mutmachen, dass die Barhufbearbeitung auch und gerade bei den wirklich harten Fällen erfolgreiche Lösungen schaffen kann.

Gruß Tina
* http://www.pro-barhuf.de -Vollständig überarbeitete Auflage des Hufbuchs erschienen *

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Re: XX-Wallach, einseitiger Bockhuf, sehr schwache Substanz

Beitrag von Lesley » Fr 4. Jan 2013, 22:44

Sehr schön... :clap:

Ich war heute auch gerade bei einem Blüterwallach mit extrem schlechten Hufen. Auch hier habe ich der Besitzerin gezeigt, was sie machen muss und selber nur wenige Male bearbeitet. Er hat auch noch keine Tophufe, aber deutliche Verbesserung und er läuft - entgegen allem Unken von diversen Experten - passabel barhuf.
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Re: XX-Wallach, einseitiger Bockhuf, sehr schwache Substanz

Beitrag von Pferdefreund » Sa 5. Jan 2013, 15:49

Vielen Dank fuer den Fall! Ich wuerde allerdings gerne mehr wissen, z.B. nach welchen Kriterien Du beurteilt hast dass die Hufe vorher unbalanziert waren, und welche Bearbeitungstips Du gegeben hast. Ich denke mal dass man mit Barhuf weiter kommt also ohne ist uns allen klar :D. Aber genau WIE ist die Frage.

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