Distanzpferd

Martin
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Re: Distanzpferd

Beitrag von Martin » Mi 17. Jul 2013, 08:48

Nupur hat geschrieben:
Andrea&Atila hat geschrieben:Nupur meinte aber, sich gegen die Vorgaben der Sohle anhand des Laufverhaltens zu orientieren. Das würde dann bedeuten, bewußt einseitig einen Wandüberstand zu belassen oder einseitig die Trachte länger zu lassen.
Genau. Nicht "Wandlänge", sondern eigentlich den Tragerandüberstand meinte ich.

Viele Bearbeiter, die sich an der Sohle bzw. anderen Referenzpunkten des Hufes orientieren, schauen sich das Pferd im Stand und in der Bewegung an, machen ein wichtiges Gesicht - und bearbeiten den Huf stumpf nach ihrem Schema. Darunter große Namen wie Ovnicek, Hampson und Anz.
Sie weichen damit eigentlich vom Grundsatz der Hufschmiede ab, "das ganze Pferd zu beschlagen", und beschlagen bloß den Huf.
Ja, das hat mich auch immer bei Ovnicek total gestört, zumal dann noch auf alle Pferde seine NBS-Eisen drauf kommen und die tun wirklich nicht jedem Pferd gut.

Aber ich bleibe dabei. Ja, ich kenne Pferde bei denen ich einseitige längere Tragrandüberstände lasse. Wie man z.B. bei einem faßbeinigen Pferd ohne derartige Asymmetrien auskommen sollte, weiß ich auch gar nicht, um mal ein extremeres Beispiel zu nennen.

Ich sehe auch immer wieder Pferde, die ich nur nach Bewegung beurteile und bearbeite. Das macht dann in den Hufkursen die Kursteilnehmer und mich immer etwas unglücklich. Die Teilnehmer fragen nämlich nach schlüssigen Bewertungs- und Bearbeitungsstandards, weil sie sofort sehen um wieviel besser das Pferd sich danach bewegt. Solche Standards sind aber bei mir nur unzureichend entwickelt. Ich kann oft nicht ausreichend begründen, warum ich bei dem Pferd da kürze und beim nächsten woanders.

Den Anspruch der Hufschmiede, das gesamte Pferd beschlagen zu wollen, ist natürlich gut. Allerdings ist die Mehrzahl der Hufschmiede dazu gar nicht in der Lage. Da wäre es wirklich besser, sie würden nur nach der Sohle beschlagen. Das würde die Zahl der katastrophal verstellten Pferde deutlich senken. Ich weiß, das klingt bösartig und arrogant, kann man aber in jedem Stall sehen.

Martin

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Nupur
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Re: Distanzpferd

Beitrag von Nupur » Mi 17. Jul 2013, 20:10

Martin hat geschrieben:Den Anspruch der Hufschmiede, das gesamte Pferd beschlagen zu wollen, ist natürlich gut. Allerdings ist die Mehrzahl der Hufschmiede dazu gar nicht in der Lage. Da wäre es wirklich besser, sie würden nur nach der Sohle beschlagen. Das würde die Zahl der katastrophal verstellten Pferde deutlich senken. Ich weiß, das klingt bösartig und arrogant, kann man aber in jedem Stall sehen.
Kein Problem.
Das gilt für die Mehrzahl der hufbearbeitenden Nicht-Hufschmiede ebenso. Nur gibt es davon nicht so viele und die versorgen nicht unsere Masse an Pferden.
Gute Arbeit scheint in jeder Branche selten zu sein...

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Re: Distanzpferd

Beitrag von Martin » Do 18. Jul 2013, 00:07

Nupur hat geschrieben:
Martin hat geschrieben:Den Anspruch der Hufschmiede, das gesamte Pferd beschlagen zu wollen, ist natürlich gut. Allerdings ist die Mehrzahl der Hufschmiede dazu gar nicht in der Lage. Da wäre es wirklich besser, sie würden nur nach der Sohle beschlagen. Das würde die Zahl der katastrophal verstellten Pferde deutlich senken. Ich weiß, das klingt bösartig und arrogant, kann man aber in jedem Stall sehen.
Kein Problem.
Das gilt für die Mehrzahl der hufbearbeitenden Nicht-Hufschmiede ebenso. Nur gibt es davon nicht so viele und die versorgen nicht unsere Masse an Pferden.
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Ja klar, ich wollte nicht die Hufpfleger loben. Dazu gibt es wahrlich keinen Grund.

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Re: Distanzpferd

Beitrag von greenorest » Do 18. Jul 2013, 07:49

Hallo,

ich "lese" vor allem aus der Belastungssituation, d.h. den Abnutzungsspuren am Huf, orientiere ich aber auch an der Stellung (locker hängendes Bein). Ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Arbeiten am Barhuf das finden der korrekten Stellung oft einfach macht: Nehmen wir an, der Huf ist anfangs total lang und verstellt. In der ersten Bearbeitung reicht es oft "grob" in die Nähe der korrekten Stellung kommen - mit jeder Bearbeitung ist dann eine feinere Anpassung möglich.

Das Orientieren am Laufverhalten (welche Seite huft zuerst auf usw.) ist meiner Meinung nach allerdings sehr schwierig und vor allem fehleranfällig - es gibt da eine interessante Arbeit drüber: Hoppe B., Die Überprüfung des KODAK motion corder analyzer SR 50 zur
Anwendung als Bewegungsanalysesystem am Pferd, Doktorarbeit, Tierärzt-
liche Hochschule Hannover (2002).

Ich orientiere mich daher eher am Gesamtbild der Bewegung (flüssig, harmonisch, freudig? - oft auch am Gefühl beim Reiten).

Gruß Tina
* http://www.pro-barhuf.de -Vollständig überarbeitete Auflage des Hufbuchs erschienen *

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Re: Distanzpferd

Beitrag von SilentDee » Do 18. Jul 2013, 11:05

Wobei ich da auch differenziere, ob das Pferd gut läuft, weil es kranke Strukturen schonen darf, und dann eher langfristig dadurch noch mehr Probleme bekommen würde, oder ob ich schon versuche, gewisse Strukturen wieder langfristig gesund zu bekommen, und dann eben zwischendurch auf Hufschutzmaßnahmen zurückgreiffe, damit es in dieser rekonvaleszenzzeit auch locker laufen mag.

Denn nicht jede Bearbeitung ist schlecht, wenn das Pferd anfangs erst mal schlechter läuft. Aber auch nicht jede Bearbeitung ist gut, wenn das Pferd nachher besser läuft.

Bei jungen Pferden ohne Langzeitschäden versuche ich schon noch, langfristig das Beste rauszuholen. Gibt ja genug Pferde, bei denen erst mal zu vorsichtig gearbeitet wurde, weil man sonst erst mal barhuf Verschlechterungen hat, und dadurch ist das Pferd dann halt in 2-3 Jahren komplett lahm.

Das sind dann die irgendwann vom TA auch aufgegebenen Pferde, die man durch sehr invasives Bearbeiten doch wieder hinkriegt. ;)

Ich arbeite also auch mal so, mal so.

Gestern bei einer 21 jährigen Isistute habe ich auch wandüberstand stehen gelassen, weil sie damit besser läuft. Die hat durch ihren (sorry) x-beinigen Gang Verknöcherungen an den unteren gelenken und den inneren Hufknorpeln. Die braucht das jetzt so.
Beim 4jährigen Isi konnte ich solche schiefen super korrigieren, und jahre später haben sie immer noch astreine Röbis! ;)

Ich gucke übrigens jeden einzelnen Huf individuel an. Wenn die Hufe gemütlich sind, laufen Pferde optimal nach ihrem Gangvermögen, weil sie hintreten mögen.

LG

Paule
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Re: Distanzpferd

Beitrag von Paule » Do 18. Jul 2013, 12:58

Dieses invasive Bearbeiten hat unsere alte Stute allerdings verschnellt in die ewigen Jagdgründe befördert. Eine Bearbeiterin, die ich um Hilfe bat, hat ihr hinten nur die Trachten genommen und dann so viel und sie mit ellenlangen Zehen zurück gelassen
Der Bananentrimm vorne war auch nicht hilfreich, ich habe sie am nächsten Tag gecastet. Zwischendurch erwähnte sie so was ähnliches wie, dass es schon heikel sei bei alten Pferden zu viel zu verändern, da der Huf sich einer Schonhaltung durch Athrosen angepasst haben könnte.
Ich trage das jetzt ein Jahr lang mit mir herum, weil ich leider nicht gut mit Worten bin, da ich die Schuld grundsätzlich bei mir suche, vermutlich habe ich Donnis Unfähigkeit die Hinterbeine zu geben nicht deutlich genug ausgedrückt, oder mein Hiflsbedürfnis. Natürlich habe ich ja auch nur als Forumsmitglied und Selbstraspler um einen Blick über die Hufe unserer Pferde gebeten.
Ich bin auch voll dessen bewusst, dass ein altes Pferd, das die Hinterhufe nicht mehr geben kann kein langes Leben mehr vor sich hat und ich habe sogar die Thematik des Leidens angesprochen und Einschläferns angesprochen, was sie mit Milde betrachtet hat, aber es ging dann plötzlich so schnell, da Donni hinten mehr und mehr Schmerzen bekam. Natürlich habe ich alles versucht, die Zehen auch zu kürzen, aber irgendwie war das Kind dann in den Brunnen gefallen. Es war zu plötzlich zu viel Trachte weg, der Huf kippte nach hinten, sie war eh sehr durchtrittig und hatte an einem Hinterhbei eine schwerere, alte Verletzung.
Will sagen: bei einem alten Pferd würde ich nicht zu viel verändern.

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