Röntgenbilder lesen Teil 2

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SilentDee
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Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von SilentDee » Mo 17. Sep 2012, 20:13

OK, Übungsbeispiel 2:

Isländerstute! Ca 12 Jahre alt. mehr erzähle ich erst mal nicht, habe ich aber als Kundenpferd übernommen, und habe alle bisher gemachten Röntgenbilder angefordert (mache ich grundsätzlich, wenn welche existieren, kann ja nie schaden, da mal draufzugucken) und habe aktuelle Röbis angefordert, sonst würde ich keinen Handschlag machen. habe ich dann allerdings doch, denn das Pferd lag nur noch, als ich hinkam...

Also, alle drei Röbis sind vom gleichen Pferd. Ich stelle erst mal die ersten zwei ein, ihr schaut mal, was ihr seht, wenn unsere Sammlung nahezu vollständig ist, stelle ich mal das von mir angeforderte Röntgenbild ein, und vielleicht auch den dazugehörigen Huf aus gleicher Perspektive... ;) und dann beurteilen wir mal weiter, die Entwicklung usw. Bin gespannt!


14.03.2011:

Bild


Kontrollröntgen 28.06.2011:

Bild

Fragen:
- Was war oder ist das Problem des Pferdes?
- Warum wurden Röntgenbilder angefertigt?
- Wie ist die Entwicklung?
- Was wurde warum wie gemacht, und ist die Entwicklung evtl. die gewünschte?
- Hätten wir uns das gleiche gewünscht? :lol:
- Was sehen wir überhaupt?


Fangt mal an. :D

LG

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greenorest
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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von greenorest » Mo 17. Sep 2012, 21:03

Hallo,

ich versuche mich mal:

-Es handelt sich offensichtlich um ein Rehepferd
-Hufbeinsenkung. Leider sind beide Rö-Bilder unmarkiert, so dass man nur den Schatten der Hufkapsel als Richtlinie hat.
-Von Bild 1 zu Bild 2 hat sich die Senkung verstärkt, während die Kapselrotation weniger geworden ist. Vielleicht wurde ein Zehenschnabel weg geraspelt.
-Erscheinungbild der Hufe sind wahrscheinlich extrem hohe "Dosen"
-Extrem hohe Trachten, in Bild 2 sind sie noch höher geworden. Aufgrund der Trachten steht die Hufbeinunterseite deutlich steiler zum Boden als dies üblich ist.
-Es gibt keine "klassische" Hufbeinrotation, d.h. der Hufbeinknochen liegt keinesfalls steiler als die Achse der Zehenknochen
-Das Hufbein sieht intakt aus
-Bild 1 ist unten abgeschnitten
-Bild 2 ist offensichtlich nicht genau rechtwinklig aufgenommen, sonst würden wir nicht beide Eisenschenkel sehen können

Vermutung: "Klassischer" Rehebeschlag, Trachten hoch, Zehenschnabel weg raspeln. Ergebnis: Kontraproduktiv.

Gruß Tina
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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von saskia » Mo 17. Sep 2012, 21:08

Also erstmal nur das was ich sofort sehe (über den Rest muss ich noch länger brüten bzw werde ich kaum einen Bruchteil der Antworten zusammenkriegen).

Bild 1 :
Pferd konnte evtl nur noch mit staksigen Trippelschrittchen laufen, weil das Bein bis zum Kronbein in der Hufkapsel steckt.
TA hat eine Winkeldifferenz zwischen Hufbein und Hufwand (Zehe) festgestellt und "Rehe" diagnostiziert. Daraufhin wurde der Zehenhebel von aussen für's Auge "steiler"geraspelt, ohne die Trachten zu berücksichtigen.

Bei dem 2. Bild hat der TA vermutlich eine deutliche Verbesserung festgestellt, da die Schere an der Zehe weniger weit aufklafft als auf Bild 1. Durch das Zehenkürzen unter Vernachlässigung der Trachten ist die Hufkapsel quasi "nach vorn gekippt" und nun vorne steiler, hinten in den Himmel hoch gereckt. Kronrand dürfte bodenparallel sein in der Seitenansicht. Die Knochenachse (war das der richtige Ausdruck?) scheint auf Bild 1 noch ungebrochen, auf Bild 2 nach hinten gebrochen.
Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts klappt. Praxis ist, wenn alles klappt und keiner weiß warum. Oft sind Theorie und Praxis vereint: nichts klappt und und keiner weiß, warum.

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von Diana » Mo 17. Sep 2012, 21:19

Ich tippe auf einen Rehehuf, auf dem 1. Bild mit Wandrotation. Hufbein und Kronbein scheinen mir einen sehr steilen Winkel zu haben

Bild 2: die Lage hat sich massiv verschlechtert, die Reherillen sind noch extremer zu sehen, die Trachten noch höher und im Eckstreben/ Trachtenbereich scheint ein Abszeß zu sein.
Unter dem Eisen befindet sich ein Polster. Der Hufgelenksspalt klafft palmar auf, das Strahlbein ist im Übergang zum Hufbein aufgefasert.

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von saskia » Mo 17. Sep 2012, 21:20

Nachtrag : wahrscheinlich ist das ganze Pferd auch komplett verspannt und verkrampft, weil es gar nicht mehr normal stehen kann. Um überhaupt stehen zu können, muss es vermutlich stark rückständig stehen (daher scheint auch die Knochenachse gebrochen, was sie evtl gar nicht ist, sondern "nur" Resultat der unnatürlichen Standposition?). Bei diesem rückständigen Stehen wird wiederum die Zehe mehrbelastet (die nun obendrein steiler zur Sohle piekst), was die Entzündung wiederum nicht zur Ruhe kommen lässt. (Oder ist das schon der Zeitpunkt, wo es nur noch lag?)
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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von Martin » Mo 17. Sep 2012, 21:41

Ist das ein Eiereisen oder hat Tina recht und täuscht der Aufnahmewinkel?

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von diala » Mo 17. Sep 2012, 22:26

Martin hat geschrieben:Ist das ein Eiereisen oder hat Tina recht und täuscht der Aufnahmewinkel?

Martin
wie schon erwähnt: das Bild ist immer in der Bildmitte zentriert (logisch...), hier also auf Höhe Kronbein und somit kann das Eisen nicht genau laterolateral abgebildet sein, sondern scheint verkippelt. Scheint mir aber hier etwas viel... evt. wurde das Bild von leicht oben herab geschossen, um die Tragränder darzustellen, oder aus einer kürzeren als üblichen Distanz. Irritierend, dass das Strahlbein dennoch genau L-L ist - ungleich hohe Trachten?

Es könnte ein Eiereisen sein - aber schief aufgeschlagen (Aufzüge sind versetzt) - oder ist es ein verkehrtes Eisen?


Fragen:
- Was war oder ist das Problem des Pferdes?

der Schmied?

- Warum wurden Röntgenbilder angefertigt?
Bild 1: weil die schon länger bestehende Hufrehe (diverse Ringe, aber kein Wandödem mehr sichtbar wie bei einer akuten Rehe) klinisch nicht besser wird; Lederplatte (Unterstützung des Strahls) hilft wohl auch nicht
Bild 2: um zu wissen, ob ein neuer Schub für die verstärkte Lahmheit verantwortlich ist (die Wand ist zwar schön begradigt, aber es bildet sich am Kronrand ein neuer Ring), oder ob da noch mehr ist (ja, der Abszess)

- Wie ist die Entwicklung?
die Wand scheint wieder Anschluss zu finden, aber der Huf wird immer höher. Die Hufbeinspitze ist nach wie vor zu steil, aber dank der dicken Sohle nicht in akuter Gefahr. Trachten nach wie vor unter Spannung, daher der Abszess.

- Was wurde warum wie gemacht, und ist die Entwicklung evtl. die gewünschte?
Wand gerade geraspelt; die Abrollhilfe am Eisen ist zwar gut gemeint, aber viel zu weit vorne. Abrollpunkt müsste deutlich zurückgesetzt werden, die Trachten abgesenkt, die Hufbeinbasis der Bodenebene angenähert werden, der Strahl müsste mittragen, die Zehe schweben. Die Entwicklung hier ist eher leicht negativ, aber bestimmt nicht positiv.

- Hätten wir uns das gleiche gewünscht?
nein... lieber keine Eisen... ;)

- Was sehen wir überhaupt?
Zwanghuf mit Founder, Hufbeinabsenkung, neuer Reheschub vor wenigen Wochen, Abszess

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von Martin » Mo 17. Sep 2012, 22:55

diala hat geschrieben:

Fragen:
- Was war oder ist das Problem des Pferdes?

der Schmied?
Du bist ja sowas von bösartig. ;) ;)

Martin

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von SilentDee » Mo 17. Sep 2012, 23:15

Also, ich habe nie die Eisen gesehen, nur von der Besitzerin erzählt bekommen, es seien immer normale Eisen gewesen, mit Luwex-Polster drin die letzten zwei Male, da die Lahmheit immer schlimmer wurde. Beim ersten mal Polster lief das Pferd noch ok, nach dem zweiten Polster-Beschlag dann gar nicht mehr, wurde immer schlimmer, der TA hat dann die Eisen abgerupft und tatsächlich tagelang Angußverband gemacht. Allerdings 1 x am Tag, nur mit dünner Watte drumgewickelt, um die Entzündung zu stoppen, denn die TA hatten schon eine Hufrehe festgestellt.
Im Angußverband war dann körperwarmes Wasser, keine Polsterung, weil nur wenig Watte, und total aufgeweichtes, schmieriges Horn mit Gammelmuff. Das Pferd stand nicht mehr...

Ich übernahm das Pferd am 28.02.2012, es war Frost, das Pferd hatte keinen Graszugang, nur Heu, aus kleinmaschigen Netzen, denn es steht in einem Offenstall zusammen mit einem Rehepony. Und das war seit einem Jahr rehefrei wegen der Diäthaltung.

Ich habe dann notdürftig die Zehenwand vorne ein paar Millimeter aus der Last weggeraspelt, die Trachten abgesenkt, und dann Röntgenbilder angefordert, weil ich für die Polsterung und richtige (sinnvolle) Bearbeitung eben wissen wollte, wo das Hufbein sich befindet. Leider wurden meine Tips zur Markierung gar nicht umgesetzt... Ohne Röbis mache ich erst mal nur das notigste, minimalste, und komme dann direkt nach der Röbi-Fertigstellung wieder. (Dann entsteht mehr Not, schnell Röntgenbilder anzufertigen, und danach setze ich die Raspel dann massiv an... :lol: Ist besser für mich, (die Haftung, wer weiß, was der TA sagt zu einem schon invasiv beraspelten Huf) und für das Pony auch, (denn wenn sie sehen, was man dann alles macht, wegen dem Röbi, bekommt man auch zwischendurch evtl. mal ein Bild...) und für die echte Verlaufskontrolle, denn mein Ziel ist immer, dass der Huf barhuf-gesund wird am Ende. Und den Weg nach Rom sucht man dann individuell aus.

Also, das Röbi, gleicher Huf, am 02.03.2012:
Bild

Pferd kann leidlich stehen ohne Polsterung... Liegt viel...

LG

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Re: Röntgenbilder lesen Teil 2

Beitrag von saskia » Di 18. Sep 2012, 08:27

SilentDee hat geschrieben: ...
Ich übernahm das Pferd am 28.02.2012, es war Frost, das Pferd hatte keinen Graszugang, nur Heu, aus kleinmaschigen Netzen, denn es steht in einem Offenstall zusammen mit einem Rehepony. Und das war seit einem Jahr rehefrei wegen der Diäthaltung.
...
LG
Hatte es denn Rehe, oder hat sich der Huf aufgrund vorheriger schlechter Bearbeitung zu einem "reheähnlichen" Bild verändert? Und wenn es Rehe war, die dazu geführt hat : was wird als Auslöser vermutet, wenn das Pferd eh schon wie ein Rehepatient gehalten wurde und Gras also ausscheidet? Im Winter bei Frost (kein Weichboden und keine Nässe) haben doch die meisten Pferde die beste Hufqualität des Jahres?
Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts klappt. Praxis ist, wenn alles klappt und keiner weiß warum. Oft sind Theorie und Praxis vereint: nichts klappt und und keiner weiß, warum.

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