Hufschutz nur vorne

Alles, was sonst nirgendwo reinpasst
xeide
Beiträge: 167
Registriert: Di 21. Aug 2012, 12:22

Hufschutz nur vorne

Beitrag von xeide » Sa 22. Jun 2013, 15:37

Liebes Forum - ich hab da mal eine sehr allgemeine Frage.
Warum ist es so, dass viele nur vorne einen Hufschutz dran machen?
Ist es wirklich nur, weil vorne eben vermehrt Gewicht drauf ist?
Wenn mein Pony zB auf einen Stein latscht, dann autscht sie eigentlich nur vorne. Und ich würde auch sagen, dass sie eher nur vorne fühlig läuft.
Kann man sagen, wie man erkennt, dass das Färt auch hinten Schutz braucht?

Ich hab irgendwie das dumpfe Gefühl, dass das eine doofe Frage ist ... aber ich stell sie mal trotzdem *g*
LG xeide

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von Pat » Sa 22. Jun 2013, 16:35

Die Frage ist absolut berechtigt!
Ich persönlich reite entweder barhuf oder 4fach bereift, wie auch immer dann der Hufschutz aussieht, Schuhe oder Beschlag halt. Ich bin auch der Meinung, wenn ein Pferd Hufschutz braucht, dann rundum.
Es gibt natürlich die Variante nur vorne HS, und das Pferd läuft gut, bis zu dem Moment, wo der Besitzer auch hinten Schutz anbringt und dann erstaunt feststellt, dass es dann noch besser läuft. ;) Es ist insgesamt lockerer, setzt die Hinterhand mehr ein etc.

Ich schreibe das meinen Kunden nicht vor, gebe es aber immer zu bedenken und empfehle, das mal auszuprobieren, verleihe dann schon mal Schuhe für hinten.

Benutzeravatar
SilentDee
Beiträge: 2069
Registriert: Mi 7. Sep 2011, 01:03
Einzugsgebiet: Nord-westliches Hamburg und nord(westliches) Schleswig-Holstein, ganze Touren aber auch weiter: Sylt, Dannenberg usw.
Service: Gewerblich.
Barhufbearbeitung, Huftherapie (Rehe, Zwanghufe usw), Hufschuhanpassung und -Beratung/ Verkauf, natürlich auch reine Beratung und/oder Schulung auf Wunsch.
- sehr ausgebucht und schwer erreichbar -
Kontaktdaten:

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von SilentDee » So 23. Jun 2013, 01:06

Ich würde das nicht so verallgemeinern.

Es gibt sicher viele Pferde, die 4-fach beschuht am lockersten laufen, die benötigen dann tatsächlich überall Schuhe.

Meiner z.B. brauchte eigentlich keine, lief locker über den schlimmsten Schotterboden, und er musste immer Hufschuhe testen, weil man ja nicht den Herstellern alles glauben sollte - dann wäre ja jeder Schuh der Beste! ;) (Außérdem ist er ein super haut- und druckempfindlicher Fuchs, und die Scheuerneigung war dann super zu testen.)

Hab ihn dann mal nur vorn, mal nur hinten (aus Interesse, weil ich auch wissen wollte, wie es sein Gangbild beeinflusst, hinten mal höher gestellt zu sein, denn die Sohle hat ja schon eine gewisse Dicke :lol: wenn schon, denn schon...) und mal an allen Hufen gleichzeitug Schutz.
Nur vorne ist er gut gelaufen, da er leicht überbaut ist, denke ich, war das für ihn vielleicht auch gar nicht so schlecht... Wie jogger auch mal mit diversen Schuhen und Stabilisationen laufen, um die Muskeln mal unterschiedlich zu trainieren...
Nur hinten war ihm komisch. Ging auch, aber ich hatte das gefühl, das Gangbild wird schon etwas negativ beeinflusst. Sliderschuhe nur hinten fielen also gedanklich flach, er hätte dafür dann alle 4 beschuht bekommen.
4 Hufe waren ganz genau wie sonst ohne Schuhe. Nur eben vom Abrollpunkt des Schuhs und der Sohlenbeschaffenheit beeinflusst. Nach den ersten paar 100 Metern lief er nur vorn beschuht mindestens genau so locker.

Ich denke, man muss es ausprobieren. manche Pferde lassen sich vom Gewicht der Schuhe und vom verändeten Höhenniveau, des veränderten Abrollpunktes und des unterschiedlichen Dämpfungsverhalten mal mehr oder weniger beeinflussen.
Am einfachsten ist es sicherlich für das Pferd, gleichmäßig Gewicht, Höhe und Dämpfung zu haben. ;)

Aber manchen hilft es auch, vorn etwas höher zu kommen... ;)

Wenn denn die Hinterhufe wirklich nicht fühlig sind und sie nur vorn beschuht genau so locker laufen, wie mit allen 4er.

Und je nachdem, wie lang die Strecken sind, denke ich. Ab einer gewissen Streckenlänge würde ich alle Gelenke gern vermehrt dämpfen, selbst wenn die Hufe es nicht bräuchten. Für die Sehnen, Bänder, Knorpel, Gelenke usw. Es geht dann bei Überbelastung um verschleißvermeidung durch Dämpfung.

LG

kelte
Beiträge: 1276
Registriert: Mi 13. Mär 2013, 19:24
Einzugsgebiet: Wien, Nö
Service: individuelle Beurteilung und balancierte Bearbeitung, Umstellungen
Beklebe
Einzelschulung und Kurse
Hufschuhberatung
TENS, EMS
McMaster Eizählung
Wohnort: westlich von Wien

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von kelte » So 23. Jun 2013, 07:59

Servus Xeide!

Es ist auch so, daß die Hinterhufe oft besser "beeinander" sind, als vorne.
Rameys Theorie ist dazu (und mir selbst kommt es auch so vor), daß durch die Hinterhandwinkelung die Hufe fast gar nicht anders können, als eine Trachtenlandung zu machen. Trachtenlandung = Gesundheit. Die "geraderen" Vorderbeine hingegen sind von guter Hufform abhängig, sonst gibts keine Trachtenlandung.

Was für mich jedenfalls falsch ist, ist die Theorie, daß die Vorderen deßhalb schlechter sind als die Hinteren, weil sie mehr Gewicht tragen müssen. Im Stehen stimmt das ja noch, aber beim Gehen ist es absolut umgekehrt. Denk dir doch nur, daß ein Pferd bei jedem Schritt fast sein GESAMTES Körpergewicht nur mit der Zehe EINES Hinterhufes vorwärts schiebt und das bei jedem einzelnen Schritt seines Lebens.

Ramey schreibt daher auch in seinem Denkansatz weiter, daß die Hinterhufe auch durch eben diese Mehrarbeit besser wachsen.

Grüße

Tic
Beiträge: 162
Registriert: Mo 9. Apr 2012, 21:12

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von Tic » So 23. Jun 2013, 10:09

kelte hat geschrieben:Was für mich jedenfalls falsch ist, ist die Theorie, daß die Vorderen deßhalb schlechter sind als die Hinteren, weil sie mehr Gewicht tragen müssen. Im Stehen stimmt das ja noch, aber beim Gehen ist es absolut umgekehrt.
Grüße
Dann könnte man sich gymnastizierung und Dressur ja auch komplett sparen. Dann wäre training um ein pferd gesund über de rücken zu reiten und die HH dazu zu animieren mehr last aufzunehmen unnötig. Warum wurden Bibliotheken von reitlehren über diese Thematik geschrieben? Und warum hat die Natur die Anatomie der vh eher auf tragen und die HH eher auf schieben ausgelegt?
Akkreditiertes Mitglied der Wolf-Gang

Benutzeravatar
Silke & Abai
Beiträge: 994
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 08:16
Einzugsgebiet: Rhein-Erft-Kreis, Köln
Service: Hilfe bei Hufbearbeitung, Hilfe bei Klebetechniken, Hilfe bei Hufschuhen
Wohnort: Bergheim bei Köln

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von Silke & Abai » So 23. Jun 2013, 10:52

Also für mich bedeutet Gymnastik, dass man versucht, die Hinterhand außer zum Schieben auch noch zum Tragen zu verwenden. Es gibt allerdings wohl Untersuchungen, die belegen, dass die Gewichtsverschiebung des Gesamtgewichts von Pferd+Reiter selbst im Moment der höchsten Versammlung (Lektion auf der Stelle) minimal ist (von 60% auf der Vorhand verändert sie sich auf 58% o.ä. - die genauen Zahlen habe ich nicht mehr im Kopf, aber ich war damals selbst erstaunt, als ich das las, wie wenig dann wohl für den "normalen Freizeitreiter" machbar sein dürfte.

Auf deinen Post hin habe ich mal spaßeshalber überlegt, ob wenn man die HH mehr zum Tragen als zum Schieben auffordert, ob sich dann auch eine Zehenfußung zeigen könnte. Habe daraufhin mal bei Youtube geschaut und in diesem Film hier sieht man schon, wie die H-Hufe nicht mehr so schön trachtenfußend landen, wie man das auf vielen anderen Slomo-Videos deutlich erkennen kann:

https://www.youtube.com/watch?v=ILyaMLacMqI
Viele Grüße

Silke

kelte
Beiträge: 1276
Registriert: Mi 13. Mär 2013, 19:24
Einzugsgebiet: Wien, Nö
Service: individuelle Beurteilung und balancierte Bearbeitung, Umstellungen
Beklebe
Einzelschulung und Kurse
Hufschuhberatung
TENS, EMS
McMaster Eizählung
Wohnort: westlich von Wien

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von kelte » So 23. Jun 2013, 13:29

@ Tic

Die Vorderhand ist ja auch eher zum tragen und die Hinterhand eher zum schieben gedacht. Es soll nur die Krafteinwirkung beim schieben deutlich höher sein, als beim tragen. Wäre auch rein physikalisch logische, denn wenn ich etwa 500kg nur tragen/abstützen muß, so ist ist sicher weniger Kraft nötig, als wenn ich die 500kg auch noch vorwärts schieben muß. Es wird also nicht nur gegen die Schwerkraft gearbeitet, sondern zuzüglich noch gegen die Trägheit.

Und tatsächlich ist die klassische Dressur für mich wirklich keine Sache, die der Gesundheit zuträglich ist. Schongleich weil die Natur nie vorgesehen hat, daß ein Pferd einen Reiter trägt. Bei guten Rahmenbedingungen hält das ein Pferd zwar aus, aber gesund ist es zweifelsohne nicht.

Grüße

Benutzeravatar
greenorest
Beiträge: 814
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 22:32
Einzugsgebiet: Landkreis RW
Service: (neben)gewerbliche Hufbearbeitung und Hufkurse
Wohnort: Eschbronn
Kontaktdaten:

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von greenorest » So 23. Jun 2013, 15:59

Hallo,

bei allen Pferden, die ich bisher beobachtet habe, war der Abrieb an der Hinterhand stets größer als an der Vorhand. Besonders leicht lässt sich das erkennen, wenn das Pferd 4x den gleichen Hufschutz trägt. Der Effekt ist so groß, dass er sehr leicht zu erkennen ist und tritt bei Pferden aller Rassen und Nutzungen auf.

Daraus folgt für mich, immer 4x Hufschutz einzusetzen, wenn ich mir einen Abriebsschutz wünsche. Mit nur hinten Hufschuhen habe ich wenig experimentiert, da der Abrieb auf unseren Wegen auch mit dem Faktor, den die Vorderhufe weniger Abrieb erfahren, noch zu hoch ist wenn man längere Strecken reitet.

Ich habe beobachtet, dass viele Pferde, die nur vorne beschlagen sind, eigentlich gar keinen Abriebsschutz bräuchten - u.a. zu erkennen an (Eisen)beschlägen, die 2-3x wiederverwendet werden. Daher haben die Hinterhufe auch kein Problem mit den gestellten Abriebsanforderungen.


Dann bleibt die Frage, warum man nur vorne beschlägt:

-Das Zusatzgewicht verändert in der Tat die Bewegung, was in einigen Disziplinen erwünscht ist (ich persönlich halte davon nichts, sondern denke dass hier ein künstliches Bewegungsbild erzeugt wird, das dem Bewegungsapparat eher schadet)

-"weil es schon immer so war", "weil man es so macht" usw. Viele Pferde sind beschlagen, ohne dass es dafür einen wirklichen Bedarf gibt.

-Bleibt der Punkt, wo es für mich am meisten zu interpretieren/diskutieren gibt, nämlich wenn das Pferd mit nur vorne Hufschutz besser läuft.
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten:
- Es wird gar nicht gemerkt, dass das Pferd auch hinten fühlig läuft (Der Abrieb ist insgesamt zu hoch)
- oder die Hinterhufe sind wesentlich gesünder als die vorderen. Dieser Grund scheint mir der häufigste für "nur vorne Hufschutz" zu sein. Ganz interessant finde ich den Kontrast von Vorder- und Hinterhufen, den man so oft sieht. Die Hinterhufe sind kurz, kompakt mit niedrigem Trachten und breitem Strahl, die beschlagenen Vorderhufe stehen aber komplett anders da - mit Verformungen, langen Trachten, unpassender Stellung uvw. Am selben Pferd, von selben Hufbearbeiter gemacht.
Ein Grund für nur vorne Hufschutz könnte also sein, dass ein permanenter Hufschutz sich irgendwann selbst notwendig macht. Wenn ich ein Jungpferd mit gesunden Hufen (das überall gut läuft) 2-3 Jahre vom Durchschnittschmied durchgehend vorne beschlagen lasse, wird es höchstwahrscheinlich nach Abnahme der Eisen vorne fühlig sein.
Weiterhin spricht die Beobachtung dafür, dass die hinteren Hufe inkl. der Hufknorpel und Strahlkissen leichter positiv entwickeln lassen als die vorderen (siehe eines der vorigen Postings). Es kann also sein, dass ein Jungpferd wegen unterentwickelter/schlecht gestellter Vorderhufe beim Einreiten fühlig geht und daher beschlagen wird. Später kommt dann das vorherige Argument hinzu.

Gruß Tina
* http://www.pro-barhuf.de -Vollständig überarbeitete Auflage des Hufbuchs erschienen *

Benutzeravatar
Nupur
Beiträge: 431
Registriert: Fr 7. Jun 2013, 00:53
Einzugsgebiet: Region Hannover

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von Nupur » So 23. Jun 2013, 17:11

kelte hat geschrieben:Wäre auch rein physikalisch logische, denn wenn ich etwa 500kg nur tragen/abstützen muß, so ist ist sicher weniger Kraft nötig, als wenn ich die 500kg auch noch vorwärts schieben muß. Es wird also nicht nur gegen die Schwerkraft gearbeitet, sondern zuzüglich noch gegen die Trägheit.
Vorschlag: Du schiebst einmal eine Schubkarre von 500Kg, dann hebst Du sie hoch. Und dann reden wir wieder über Dein Beispiel.
Ich schätze, in der Bewegung verschiebt sich der Schwerpunkt des Pferdes sogar noch stärker nach vorne, als im Stand, besonders mit Reiter. Außerdem steigt die Belastung, weil das Pferd und damit das Gewicht auf die Vorhand "fällt". Ich habe keine Quellen darüber, aber es gibt sie garantiert.

greenorest hat geschrieben:bei allen Pferden, die ich bisher beobachtet habe, war der Abrieb an der Hinterhand stets größer als an der Vorhand. Besonders leicht lässt sich das erkennen, wenn das Pferd 4x den gleichen Hufschutz trägt. Der Effekt ist so groß, dass er sehr leicht zu erkennen ist und tritt bei Pferden aller Rassen und Nutzungen auf.
Kein Material für den Hufbeschlag nutzt sich durch Druck ab. Niemals. Immer nur durch Reibung. Die Hinterhand rutscht aufgrund ihrer Mechanik oft über den Boden, während die Vorhand sauber fußt-stützt-abfußt und nur an der Zehe einen Abrieb erfährt. Daher ist ein stärker verschlissener Hinterbeschlag kein Zeichen vermehrter Lastaufnahme, sondern simple Folge eines meiner Meinung nach unproblematischen Bewegungsablaufes.

Benutzeravatar
Nupur
Beiträge: 431
Registriert: Fr 7. Jun 2013, 00:53
Einzugsgebiet: Region Hannover

Re: Hufschutz nur vorne

Beitrag von Nupur » So 23. Jun 2013, 17:26

Ich habe sehr viele Pferde, welche nur vorne einen Hufschutz tragen.
Wenn wir ehrlich sind, dann haben wir mit den Vorderhufen fast durchgängig größere Sorgen, als mit den Hinterhufen. Oder? Ob Form- und Stellungsfehler, Fühligkeit oder Rehe - ist doch vorne alles ein größeres Problem. Und zwar egal, ob beschlagen oder barhuf.
Außer der ungleichen Gewichtsverteilung, die sich am stärksten bei einer Rehe zeigt, liegt das auch an der Hufform. Die ist hinten grundsätzlich enger als vorne. Und enge, hohe Hufe sind grundsätzlich leistungsfähiger, als flache, weite.

Antworten