Akute Rehe - richtige Bearbeitung

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Juria
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Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Juria » Do 23. Apr 2015, 20:13

Hallo,
wie geht man mit einer akuten Rehe um?
Klar, Erstmaßnahmen wie Kühlen und weichstellen, kein Gras, Heu waschen, etc...

Aber wie geht man an den Huf ran? Ich frage, weil ich immer wieder gegensätzliche Meinungen lese und das verwirrt mich. Die einen stellen die Trachten mittels Keil hoch, andere versuchen den Huf im Bereich der Trachten so flach wie möglich zu bekommen. Wonach entscheidet man das? Und was ist nun richtig mitten im Schub?

Wie sieht das Ganze aus, wenn bereits eine Rotation vorliegt? Wie schnell kann eine Rotation denn eigentlich stattfinden? Braucht es dazu nur ein paar Stunden oder schon Tage, womöglich Wochen?

Dann habe ich noch eine Frage zum Rehegips. Wann sollte man diesen anbringen und was bewirkt er? Wie lange sollte ein Rehegips dranbleiben? Kann man einen Rehegips auch "erneuern", also ein zweites Mal anbringen?

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Feuerhuf
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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Feuerhuf » Do 23. Apr 2015, 20:56

Kauf Dir mal zum Einlesen das Buch Diagnose Hufrehe von Konstanze Rasch aus dem Rüschlikon Verlag. Das Thema ist sehr
Komplex um es allgemein zu beantworten. Bei einem konkreten Fall sieht das anders aus.

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Pat
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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Pat » Do 23. Apr 2015, 21:59

Das kann ich bestätigen, das Buch ist wirklich gut. Mit Ausnahme der Behauptung, nur Huforthopäden könnten eine Rehe behandeln. Da irrt sie sich leider... ;)
Ansonsten aber top!

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Juria
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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Juria » Do 23. Apr 2015, 22:04

D.h. Schub ist nicht gleich Schub und man muss je nach Rehe und Huf entweder hochstellen und flachstellen?

Das verwirrt mich irgendwie nur noch mehr :? Denn im Prinzip verursacht eine Rehe doch eine Lockerung/ Ablösung des Hufbeins von der Hornkapsel und dieser Vorgang ist doch immer gleich?!

Das Buch hatte ich mal zur Ansicht bestellt und reingelesen, fand es aber nicht so ergibig.

Martin
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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Martin » Do 23. Apr 2015, 23:12

Juria hat geschrieben:D.h. Schub ist nicht gleich Schub und man muss je nach Rehe und Huf entweder hochstellen und flachstellen?

Das verwirrt mich irgendwie nur noch mehr :? Denn im Prinzip verursacht eine Rehe doch eine Lockerung/ Ablösung des Hufbeins von der Hornkapsel und dieser Vorgang ist doch immer gleich?!

Das Buch hatte ich mal zur Ansicht bestellt und reingelesen, fand es aber nicht so ergibig.
Du hast das völlig richtig erkannt. Die in Deutschland gängige Rehebehandlung ist voller Widersprüche und vorallem wissenschaftlich so gut wie gar nicht begründet.

Das Hochstellen im Trachtenbereich folgt der Behauptung, dass die tiefe Beugesehne am Hufbein zieht, weil angeblich der Antagonist der tiefen Beugesehne die Zehenwand sei. Ich suche seit Jahren ein fundierte wissenschaftliche Messung, die diese Behauptung auch nur mal ansatzweise beweist, mal ganz abgesehen davon, dass eine Sehne eigentlich nicht zieht, sondern ein Muskel, der an der Sehne hängt. Wenn aber ein Muskel zieht und es tut weh, was bei einer entzündeten Lederhaut ziemlich sicher der Fall ist, dann zieht der Muskel nicht mehr, weil das willkührliche Muskeln sind. Aber das mit den Muskeln hat die Hufbearbeitung noch nie so wirklich interessiert.

In anderen Ländern glaubt man deutlich weniger an die böse Beugesehne, da stellt man nicht hoch, sondern kühlt nur, weil man glaubt, dass die Schwellung das Gewebe zerstört und so die Trennung der Zehenwand vom Hufbein erfolgt. Unter Kühlung bildet sich aber keine so massive Schwellung. Ein paar Experten drainieren sogar den Huf, damit der Druck der Schwellung aufhört, sprich schneiden den Huf auf. Die Hufkapsel kann sich ja nicht ausdehnen. Drainierte Pferde können dann oft ohne Schmerzmittel auskommen.
In der Humanmedizin macht man so etwas ähnliches beim sogenannten Kompartmentsyndrom. Da wird die Faszie eines Muskels durchtrennt, weil der Druck einer Schwellung im Muskel z.B. die Blutgefässe zerstört. Macht man das rechtzeitig, kann sich alles regenerieren, macht man das nicht, wird der Muskel schwer geschädigt. Parallelen zum Huf werden gar nichrt erst erwogen, wen interessieren schon die Erfahrungen der Humanmedizin?

Auch bezüglich der Notwendigkeit eines Beschlages oder nicht, gibt es große Gegensätze. Sie reichen von Beschlag muss sein über diverse Alternativen bis hin zur kompletten Ablehnung eines Beschlages.

Und weil das alles so wiedersprüchlich ist, lässt man das alles lieber so, dann kann jeder machen was er will.

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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Pferdefreund » Do 23. Apr 2015, 23:16

also ich habe ja nur theoretisches Wissen zu Rehe, und lese auch viel Gegensaetzliches. Aber mein Verstaendnis nach ist so dass wenn der Huf in einer optimalen Verfassung ist (keine Wandueberstaende, Sohle mittragend, richtige Trachtenhoehe und Zehenlaenge) dann ist eine akute Rehe im Prinzip ohne Konsequenz, sobald man sie unmittelbar erkennt und die Ursache abstellt. Denn wenn die Hufkapsel zur inneren Anatomie passt, dann kann da auch nichts absenken oder rotieren. Soweit meine Vorstellung. Keine Ahnung ob richtig oder nicht.

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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Nupur » Fr 24. Apr 2015, 01:44

Martin hat geschrieben:Du hast das völlig richtig erkannt. Die in Deutschland gängige Rehebehandlung ist voller Widersprüche und vorallem wissenschaftlich so gut wie gar nicht begründet.
Beides gilt auch für die Rehebehandlung im Rest der Welt. Die Amis und Australier sind den Deutschen möglicherweise wissenschaftlich eine Nasenlänge voraus, führen dafür aber auch obszön viele Tierversuche durch! Was sich genau abspielt und wie man es behandelt wissen sie dennoch nicht besser.


Ganz so schwarzweiß wie Martin es beschreibt ist es aber wohl nicht. Die wissenschaftliche Veröffentlichungen sind unzählbar. Und es ist durchaus ein roter Faden erkennbar.

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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von TinaH » Fr 24. Apr 2015, 07:28

Solange das nicht geklärt ist, ob ein Hochstellen was nützt: kann man damit denn Schaden anrichten, oder sollte man sicherheitshalber im Akutfall doch erst mal das Hochstellen vornehmen?

Ich hoffe inständig, daß ich nie damit zu tun haben werde, aber bei den verschiedenen Möglicheiten wird mir echt immer Himmelangst. Als Laie hat man so das Gefühl "Was man macht, macht man verkehrt" :oops:
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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Martin » Fr 24. Apr 2015, 07:37

TinaH hat geschrieben:Solange das nicht geklärt ist, ob ein Hochstellen was nützt: kann man damit denn Schaden anrichten, oder sollte man sicherheitshalber im Akutfall doch erst mal das Hochstellen vornehmen?

Ich hoffe inständig, daß ich nie damit zu tun haben werde, aber bei den verschiedenen Möglicheiten wird mir echt immer Himmelangst. Als Laie hat man so das Gefühl "Was man macht, macht man verkehrt" :oops:
Es ist leider eine Frage des Glaubens. Wenn Du glaubst, dass der Zug der tiefen Beugesehne das Hufbein zur Rotation zwingt, dann stell hoch.
Dann musst Du noch entscheiden, ob Du das als langanhaltende Maßnahme siehst oder nur als akute Maßnahme und entsprechend handeln.

Wenn Du nicht daran glaubst, lass es sein.


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Re: Akute Rehe - richtige Bearbeitung

Beitrag von Pat » Fr 24. Apr 2015, 08:11

Es gab bei den Werkman Spring Games letztes Wochende eine Podiumsdiskussion zum Thema "to wedge or not to wedge" unter anderem mit Mitch Taylor und Scott Lampert aus USA.
Kurz zusammengefasst sagt keiner dazu "ja" oder "nein", sondern "mal ja, mal nein" ;) Das ist meiner bescheiden Erfahrung auch die Realität. Man muß es ausprobieren und die Situation kann sich täglich ändern! Es kann dem Pferd heute gut tun, wenn man es etwas hoch stellt (ich mach das mit Helekissen, die ich drunter tape, Scott hat wohl auch so nen memory foam, mit dem er rumprobiert),ein oder zwei Tage später kann die Situation schon völlig anders sein und das Pferd möchte vielleicht flach stehen.

Ebenso im späteren chronischen Stadium gibt es kein Patentrezept. Ich hab Pferde, die barhuf zurecht kommen, welche mit Duplos (die meisten), manche brauchen zumindest zeitweilig kompliziertere Beschläge.

Pferdefreunds Theorie ist interessant. Ich hab ein Pferd mit Rehe von einer sehr guten Barhufbearbeiterin übernommen. Im Rö-Bild ist keinerlei Senkung oder Rotation zu erkennen. Es hatte jedoch sehr deutlich Rehe und da es auf eher härteren Böden leben muß bekommt es nun Duplos. Es ist aber mein einziges Kundenpferd, das mit gut bearbeiteten Hufen Rehe bekam.

Was ich damit sagen will, ist, das es mitnichten eine Glaubensfrage ist, ob man im akuten Rehefall hoch stellt oder nicht. Man muß es schlichtweg ausprobieren.

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