Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

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SilentDee
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Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von SilentDee » Do 8. Dez 2011, 16:35

Hallihallo!

In einem anderen Forum kam mir gerade der Gedanke, dass ich es interessant fände, mal zu erfahren, wie der einzelne Hufbearbeiter an eine Barhufumstellung herangeht und warum er/sie was wie macht.

Ich überlege bei jedem einzelnen Pferd wieder auf's Neue, wie ich herangehe. Dabei fällt für mich ins Gewicht, wie lange das Pferd (wie gut gemachte) Eisen trug, ob es im Winter ohne laufen durfte und wie es dabei gehen konnte, wie deformiert die Hufkapsel ist, Erfahrungen und Erzählungen, wie das Pferd sich verhalten hat, wenn mal eines verloren gegangen ist usw. Ich drücke mit der Hufuntersuchzange ab, beurteile Sohlendicke und auch Strahlpolsterfestigkeit und Ausprägung, wie die Knorpel stehen usw. Ich mache Fotos von vor der Bearbeitung und analysiere das "Hauptproblem".

Die Frage ist z.B.:
- Wie dick und unempfindlich ist die Sohle?
- Wie weit unten scheint das Hufbein zu sein? (Ich habe ja keine Röntgen-Augen, aber man kann ganz gut abschätzen, wo es ungefähr hängt, wenn man das Kronbein fühlt, den Wandverlauf, die Hufknorpelstellung und die Sohle berücksichtigt.
- Wie dick ist die Wand noch? Oft werden ja Wände massiv bullennasig gefeilt für die Eisen und leider auch oft bis über 3/4 des Hufes hoch...
- Wie gesund ist der Strahl?
- Wie fühlt sich das Strahlpolster an?
- Daraus folgt dann, wenn die Trachten analysiert werden (stehen oder liegen sie? Sind sie weit vorn, innen oder hinten, wo sie hingehören?) die Entscheidung, wie niedrig ist die mache, beim ersten Trim.
-Wieviel Tragrandüberstand lasse ich stehen bei der ersten bearbeitung dirket nach der Eisenabnahme, und lasse ich überhaupt Tragrand stehen? Wenn ja, wo? (Im Seitenwandbereich nehme ich ihn immer weg, ebenso im Zehenbereich, die Trachten behalten manchmal ein paar mm)

Wie handhabt Ihr das? Und nach welchen Überlegungen und Sachverhalten entscheidet Ihr wie?

Lieben Gruß

Martin
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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von Martin » Do 8. Dez 2011, 20:11

Irgenwie hast Du ja alles auf gezählt, was man so beachten kann, zumindest was den Huf anbetrifft.

Ich berücksichtige allerdings auch noch stark den Typ Pferdebesitzer und dessen Motivation zur Umstellung. Man kann nicht jedem alles zumuten.

Martin
Zuletzt geändert von Martin am Fr 9. Dez 2011, 10:54, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von charlsey » Do 8. Dez 2011, 22:38

was mir noch einfällt ist z.b. beim ersten mal recht zurückhaltend dranzugehen, einfach um zu schauen, was das pferd und der boden mit dem huf überhaupt machen. so ein in eisen gezwängter huf gibt nicht unbedingt wieder, was für's pferd kommod ist. ich denke da vor allem an meine überraschung, als meine alte stute mit 26 die orthopädische eisen runterbekam und es sich herausstellte, dass der huf schief stehen wollte, da das fesselgelenk arthrotisch verändert war. seither läuft sie für ihre verhältnisse super. seitdem schaue ich immer erstmal, was der huf anbietet, wenn man ihn NICHT bearbeitet.
Viele Grüsse,

Claudia

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von SilentDee » Fr 9. Dez 2011, 00:21

Also erst mal grundsätzlich nur leicht sauber machen und etwas runden, den Tragrand so stehen lassen, wie er unter'm Eisen war?

Ich mache das auch oft, allerdings nehme ich den Tragrand schon runter, nur nicht komplett auf Sohlenniveau, gerade bei zusammengequetschten oder stark gestauchten Hornkapseln. Da sollen sich erst mal das Pferd und die Hornkapsel damit anfreunden, dass wieder Bewegung im Huf und Durchblutung und Gefühl möglich ist - das reicht oft schon. Innerhalb von 2 Wochen sind die Ballen entspannter, sehen nicht mehr aus wie ein Babypopo. :lol:

Allerdings sage ich den Besis dann, dass ich den Huf bewußt ausbrechen lasse und sage (ganz Wahrsagerin) voraus, was wohl wegbrechen wird und betone, dass das gut und ok ist, dass der Huf damit sagt, was er möchte. Ist nur für ganz Viele echt schwer zu verstehen, weil doch immer Angst geschührt wird vor dem Ausbrechen.

Da nun aber alle Hufe in meinem Umkreis sich innerhalb der ersten zwei Wochen im Wandbereich auf Sohlenniveau kürzen, raspele ich nun doch mehr weg als früher.

Aber ich lasse das Pferd vor und nach Eisenabnahme laufen und bespreche, was ich da sehe mit dem Besi, denn wenn die das gleiche sehen können, und das Pferd schon nach Eisenabnahme fühlig läuft, ist die Herangehensweise eine andere, als wenn das Pferd nach Eisenabnahme befreiter läuft...

Aber wann macht ihr was?

LG

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charlsey
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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von charlsey » Fr 9. Dez 2011, 08:19

hach, mir fehlt manchmal die zeit detailliert und genau zu beschreiben :D bin immer völlig begeistert über deine fähigkeit die dinge so schön und für alle verständlich auszuführen.

also, ich ergänze: der tragrand kommt schon relativ weit runter - wie bei dir auch. vielleicht ist mir gar nicht so ganz bewußt gewesen, wie ich eigentlich agiere :oops: ... wenn ich nochmal nachdenke, dann lasse ich dem huf mehr zeit, heißt, wenn ich im normalen falle nachraspeln würde, dann warte ich noch ein wenig, bis der huf ein wenig aus dem ruder läuft, um zu wissen woran ich bin.

das schwierigste ist wirklich eigentlich die psychologie des pferdebesitzers. dabei ist das ausbrechen meines erachtens noch das geringste problem. das kann man ja mit ein paar bearbeitungsinvervallen und raspelhieben aus der welt schaffen. nur wenn der besi nicht WIRKLICH hinter eine umstellung steht und nicht auch die schwierigen phasen tapfer durchstehen will und wirklich bereit ist, sich mit hufschuhen (und der manchmal schwierigen suche nach dem passenden) auseinandersetzen will, dann ist das pferd schneller beschlagen als man schauen kann. "hach, mein pferd kann sowieso nicht barhuf..." mir ist auch wichtig, dass der besitzer sich ein wenig selber um die theorie bemüht. ich finde es so unglaublich frustrierend mit leuten zu arbeiten, die nur skeptisch sind.

schätze mal, da ich eh mehr der unkoordinierte mensch bin :lol: habe ich auch nicht ein einheitliches vorgehen. ich entscheide von fall zu fall (pferdmenschbeziehung ist für mich sehr wichtig) ... was kann ich zumuten, wo muß vorsichtiger sein? und natürlich sind die von dir aufgezählten kriterien im besten falle mit in der beurteilung drin. gerade wenn ich das gefühl habe, ein pferd mit abgesenktem hufbein zu haben. das ist für mich immer der "gefährlichste" fall.
Viele Grüsse,

Claudia

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von SilentDee » Fr 9. Dez 2011, 11:51

Häufig ist der Pferdebesitzer selbst entschieden, hat sich mit dem Thema Hufschuhe im Übergang und evtl. sogar mal eine vorübergehende Polsterung usw. abgefunden, steht dann aber unter dem Druck der Stallkollegen.

Die beschimpfen teilweise (hatte ich gerade wieder) den Besi als Tierquäler, weil das Pferd in den ersten 2 Wochen fühlig läuft, drohen mit dem Tierschutzgesetz usw. :shock:

Ich mache daher vorher schockierende Huffotos, und in einem solchen Falle drucke ich die dann aus und bringe sie dem Besi mit, schön hereingezeichnet, wo welche Einblutungen, getrennte Lamellenschichten usw. sind. Dann achte ich aber auch pinibel darauf, dass das Pferd wirklich nicht schmerzhaft, sondern nur fühlig läuft. Da ist die Unterscheidung schon schwierig. Pulsation wird überwacht, mit der Hufuntersuchzange wird pinibel abgedrückt, ich lasse den Besi auch mal drücken.
Da er immer vorher aufgeklärt wird, dass im Falle von schmerzhaftem Laufen ein Polster unbedingt notwendig ist, und ich den Krankenschuh immer im Auto parat habe, aber auch alle Vettec-Geschichten, Panzertape u.v.m. sind die dann beruhigt und ich muss nicht über Geld reden, denn ohne dieses ok mache ich keine Barhufumstellung. Ich will ja keinem Pferd Schmerzen bereiten, sondern nehmen.

Aber den Druck, den Stallkollegen, Reitlehrer und andere Schmiede ("Oh Gott, Dein Pferd hat ja viiieeel zu kurze Hufe, da muss ein Eisen drauf, das bekommt ja sonst eine Belastungsrehe!!!") ausüben, ist schon erheblich. Leider sind auch viele Tierärzte eigentlich ahnungslos bei Hufgeschichten. So traurig das ist. Aber zum Glück sind die dann positiv überrascht, wenn es klappt und Hotte plötzlich viel besser läuft!

LG

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von charlsey » Fr 9. Dez 2011, 12:07

SilentDee hat geschrieben:Aber den Druck, den Stallkollegen, Reitlehrer und andere Schmiede ("Oh Gott, Dein Pferd hat ja viiieeel zu kurze Hufe, da muss ein Eisen drauf, das bekommt ja sonst eine Belastungsrehe!!!") ausüben, ist schon erheblich. Leider sind auch viele Tierärzte eigentlich ahnungslos bei Hufgeschichten. So traurig das ist. Aber zum Glück sind die dann positiv überrascht, wenn es klappt und Hotte plötzlich viel besser läuft!

LG
ich selber bin von den stallbesis jahrelang als tierquäler bezeichnet worden, weil's hü über den groben schotter auf dem weg zur koppel immer mal wieder autschte. im gelände kein problem, meist mit hufschuhen etc.

und hier auch ein kalti (foto von dem alten hufgeschwür): der hufschmied, der mal einen blick drauf werfen sollte, schlug die hände über dem kopf zusammen! viiiiiiiiel zu niedrige trachten, kein tragrand ... oh graus!!!! dann mußte ich erstmal wieder die besitzerin einfangen. aber auch die, die sich selbst entschieden haben, kommen hier im bergischen mit den schotterwegen, schnell ins grübeln... v.a., wenn die hufschuhe auch mal flöten gehen. eisen sind ja doch viel bequemer....
Viele Grüsse,

Claudia

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von Lesley » Fr 9. Dez 2011, 12:26

SilentDee hat geschrieben:Leider sind auch viele Tierärzte eigentlich ahnungslos bei Hufgeschichten. So traurig das ist.
Traurig, aber leider auch hier Realität. :(
"Experience is the hardest kind of teacher. It gives you the test first and the lesson afterward." ~Oscar Wilde

„If you are not willing to learn, no one can help you.
If you are determined to learn, no one can stop you.“

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von charlsey » Fr 9. Dez 2011, 12:28

Lesley hat geschrieben:
SilentDee hat geschrieben:Leider sind auch viele Tierärzte eigentlich ahnungslos bei Hufgeschichten. So traurig das ist. Aber zum Glück sind die dann positiv überrascht, wenn es klappt und Hotte plötzlich viel besser läuft!
Traurig, aber leider auch hier Realität. :(

naja, bei uns noch nicht einmal das... unsere tierärzte wollen gar nicht wissen, dass das pferd besser läuft. das ignorieren die total, wenn der besi sich zu anderer behandlung als von denen vorgeschlagen entschieden hat. (hab ich selber mehr als 2mal bei gravierenden diagnosen erlebt ... )
Viele Grüsse,

Claudia

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Re: Barhufumstellung - Herangehensweise Vergleich

Beitrag von Pat » Fr 9. Dez 2011, 12:33

Puhh, da hab ich's ja mal richtig gut. Hab nur tolle Besis, die alles richtig machen. Wirklich!
Ich mach allerdings auch nicht so einen riesen Zirkus um die Umstellung.
Eisen ab, schauen, was für den Huf das Wichtigste ist, entsprechend bearbeiten und gut isses. Die Besis wissen meist vorher schon, dass sie für's Gelände Hufschuhe brauchen. Reitplatz, Halle und Paddock war bisher noch nie ein Problem bei der Umstellung, so dass ich auch noch nie einen Krankenschuh dafür gebraucht habe.

So unterschiedlich können Erfahrungen sein... :)

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