Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Bearbeitungstechniken
Saskia & Facu
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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Saskia & Facu » Mi 16. Jul 2014, 16:16

Pferdefreund hat geschrieben:also ich wuere sagen der Profi Hufbearbeiter macht in einen solchen Fall auch nichts anderes als try and error. Zumindest ist das meine Erfahrung, als einfacher Pferdebesitzer. Im Zweifelsfall hat der Profi nur noch etwas mehr Angst seine alten Muster abzulegen und mal was Neues zu probieren. Es geht auch in diesem Thread nicht darum eine Raspelanleitung zu bekommen, sondern mal mit einer groesseren community einen Austausch zu haben.
DANKE!
Genau das hab ich auch gedacht! :clap:

Martin
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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Martin » Mi 16. Jul 2014, 17:02

Pferdefreund hat geschrieben:
Uebrigens, Martin, wenn man sich das "Absprengmuster" des Hufes bei meiner Stute anschaut, dann geht das nicht bis ganz vorne in die Zehe. Ich habe das auch mal ausprobiert, dass ich die gesamte laterale Seite kurz halte, da kippt der Huf dann evtl doch deutlich mehr. Es ist also hauptsaechlich die laterale Trachte die bei ihr zu hoch wird, warum auch immer.
Ja, das kann schon sein. Man muss halt schauen, wo die lebende Sohle im Zehenbereich erreicht ist. Wenn das schon der Fall ist, dann darf man natürlich nicht unter Sohlenniveau kürzen. Ich hatte halt den Eindruck, dass bei diesem Huf noch was nötig wäre. Aber Bilder können ziemlich täuschen.

Man darf auch nicht vergessen, dass der Huf ja vorher von jemand anderem genau gegenteilig gekürzt wurde, wie das häufig der Fall ist, weil man will, dass der Huf "zurückkippt". Das kann ein korrektes Nacharbeiten schwierig machen.

Martin

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Martin » Mi 16. Jul 2014, 20:36

wolf busch hat geschrieben:das find ich jetzt aber nicht so toll, ey, daß du mich da jetzt so persönlich angehst!
du hättest ja durchaus die möglichkeit, die besonderen zusammenhänge zwischen der balancierung des hufes "nach anz" und dem gesamtkomplex der biologischen regulationssysteme, bzw. zunächst mal überhaupt die besonderheit der balancierung "nach anz" im unterschied zu all den "althergebrachten" balancierungssystemen herauszuarbeiten.
da kommt aber irgendwie immer nix.
nur immer irgendwie der hinweis, daß das doch alles so komplex sei und man darauf unbedingt eingehen müsse (worin wir uns sicher einig sind, nur wollen wir das dem tier zuliebe möglichst im vorhinein abklären und nicht durch fröhliche in vivo experimente nach dem try and error prinzip festklopfen) und dann der verweis auf so eine simple methodik zum erschlagen dieser komplexität...

Hatte ich nicht schon an anderer Stelle erklärt was an Anz gegenüber anderen Methoden neu ist?

Ich würde die Methode Anz zu den Sohlentheorien zählen, weil auch er als Bezug die funktionale Sohle nimmt. Aber es gibt zu anderen Sohlentheorien Unterschiede. Hier die vielleicht wichtigsten:

1. Anz definiert individuelle ideale Trachtenlängen pro Pferd , die man messtechnisch ermitteln und reproduzierbar immer wieder herstellen kann. Ramey z.B. definiert eher eine Trachtenhöhe und misst die auch anders.
2. Die Bearbeitung des Tragrandes ist auch anders. Während Ramey und andere den Huf eher über die Fläche nivellieren, raspelt Anz die linke Tragrandseite individuell zur anderen. Damit gleicht er eine eventuelle Deformation der Kapsel gezielt aus. Das ist das Ding mit der Absenkung der Kapsel auf der hochgeschobenen Seite. Diesen Ausgleich macht er auch bei minimalen Verschiebungen und nicht nur bei stark hochgeschobenen Ballen, wie einige NHC-ler.
3. Anz erhebt diese Balancierung der Kapsel über die Steigung des Tragrandes zum Prinzip. Er begründet das detailliert mit der Verschiebung des Schwerpunktes in Richtung Huf-/Beinmitte bei einer balancierten Kapsel. Als ein Beleg nimmt er die Untersuchungen an der Uni Leipzig.

Die Unterschiede zu der Fesselstands- und der Fußungstheorie brauche ich vermutlich nicht erklären, oder? Deren Prinzipien sind halt komplett anders.

Der Bezug zum System der Propriozeption ergibt sich eigentlich logisch. Eine der Anz'schenThesen ist ja, dass die Balancierung des Hufes zu einer Beinstellung im Körperschwerpunkt führt bzw. die Schwerpunktlinie in der Bewegung nahe des Hufzentrums verläuft. Es sind aber die Muskeln, die so ein Bein da hinstellen, wo es nun mal steht. Ohne die Rezeptoren wüßten die Muskeln gar nicht wo das Bein ist. Umgekehrt heißt das, dass eine unbalancierte Kapsel eine kompensatorische Reaktion der Muskulatur erfordert, im Extremfall bis zur Schonhaltung.

Martin

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Pferdefreund » Mi 16. Jul 2014, 21:00

Scheinbar kommt der Herr Anz auch demnaechst mal bei uns hier drueben vorbei :-)!

http://blog.easycareinc.com/blog/bootme ... g-the-heel

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von fuexjen » Do 17. Jul 2014, 00:08

Arbeit nach F-Balance ist ja gut und schön ..... und bei dem auf dem Foto vorgestellten Huf sicher angesagt.

Nur stellt sich mir die Frage: warum wurde er nun NICHT danach bearbeitet? Was ich auf dem Foto sehe, ist einfach nur schiefgeraspelt aber definitiv keine F-Balance.

LG fuexjen
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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Nupur » Do 17. Jul 2014, 00:45

Martin hat geschrieben:Als ein Beleg nimmt er die Untersuchungen an der Uni Leipzig.
Diese Untersuchungen haben übrigens keinerlei Belege für eine Überlegenheit der Methode Anz erbracht, insbesondere nicht zu der Fesselstands-Vergleichsgruppe.
Der Abschlußbericht liegt jetzt vor.
Als Nebeneffekt hat die Studie interessanterweise die Ineffizienz von Fußungsänderung durch Hufbearbeitung, sowie von Stellungsbeurteilung durch Röntgenbilder aufgezeigt.

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von wolf busch » Do 17. Jul 2014, 07:06

ja, das ist nun so eine sache.

ich kenne auch die ergebnisse der leipziger studie, dabei gab es nur in bezug auf die medio-laterale lastverteilung am huf einen mehr oder weniger eindeutigen "sieger", wenn man das überhaupt so deutlich nennen kann. und das war anz mit seiner f-balance. ist ja auch logisch, wenn man den tragerand so nach den inneren strukturen kürzt, daß der letzte "kraft- oder lastübertrager", also das hufbein, medio-lateral parallel zum ableitenden untergrund steht/liegt/hängt.

das ist aber auch der knackpunkt.

denn auch hier fixiert man sich wieder, wie bei den meisten anderen relativ starren theorien auch (dazu gehört auch die klassische fesselstandstheorie) ausschliesslich auf den huf selbst und geht wie selbstverständlich davon aus, daß sich der rest (der gliedmaße/des tieres) schon danach richten werde. daß dies nicht der fall ist, hat zumindest in ansätzen ebenfalls die genannte studie gezeigt.

da hilft auch keine propriozeption im huf, denn die ist leider nicht so "dominant", als daß sie der propriozeption im ganzen rest von gliedmaße und pferd tätig nahelegen könnte "so, liebe genossen, bei mir ist alles gut, nun nehmt euch mal ein beispiel an mir und entspannt euch"!
das funzt (anzt??), so lange der rest der gliedmaße inclusive aufhängung (wozu nun mal, ganzheitlich gesehen, der ganze rest des körpers gehört) zufällig gerade dazu passt, wenn nicht, dann nicht.
du schreibst von schnittmenge aus den informationen der rezeptoren. die hilft dir aber hier nicht weiter, wenn die eine menge (huf) so sehr viel kleiner ist als die andere (rest) und eben diese andere sehr viel größer ist und blöderweise auch noch in eine ganz andere richtung driftet. denn dann wird die schnittmenge sehr schnell sehr klein, die dominanz ist dann irgendwann wirklich nur noch eine sache der schmerzvermeidung/schonhaltung...

mein fazit, das ich aus allem ziehe, was ich bisher von f-balance gesehen/gehört/gelesen habe: anz funzt prima, wenn auch das bein dazu passt, wenn dann noch echte! verschiebungen der kapsel da sind, sogar nahezu ideal. in allen anderen fällen würgt sie genauso hilflos und mal mehr und mal weniger schädlich (für den gesamtorganismus) am huf rum wie die anderen auch.

bezogen auf den vorliegenden fall:
zunächst, dem aufmerksamen leser wird vielleicht nicht entgangen sein, daß ich in keinem meiner beiträge hier geschrieben habe, wie oder wo man denn nun den huf zu kürzen hätte. denn das ist so auch nicht möglich, ohne alle infos zu haben. da gehört aber gerade in einem solchen falle die beurteilung vor ort zwingend dazu (zumindest nach meinem verständnis von guter hufbearbeitung..).
so, wenn nun also eine, nennen wir sie "dominante", schiefentendenz bspw. aus der hüfte, dem iliosakralgelenk etc.. vorliegt, gehört dazu "unten", also am huf, ebenfalls eine schiefe, die eine einigermaßen gleichmäßige belastung der gesamtgliedmaße ermöglicht. dabei wird aber der huf selbst durchaus etwas einseitig belastet. wird nun ausschliesslich auf die gleichmäßige belastung der hornkapsel hingearbeitet (kürzen der aussenwand), leistet man der schiefe von oben aber noch zusätzlich vorschub. würde ausschliesslich auf eine gerade gliedmaße hingearbeitet, also ständig die innenwand gekürzt, hätte dies zumindest auf mittlere bis längere frist die überlastung wiederum der hornkapsel zur folge, was dann irgendwann auch wiederum zu weiteren fehlstellungen / verspannungen der restlichen gliedmaße (schonhaltung, schmerzverhalten) führt.
die kunst besteht darin, den huf dahingehend auszubalancieren, daß die gesamte gliedmaße, abhängig von der dominanz der fehlhaltung von oben, im gleichgewicht der bewegungsachse steht, ohne den huf selbst zu deformieren.
nur geht das halt leider nicht mit zollstock und zirkel, sondern so richtig gut ausschliesslich unter nutzung der gesamtheit der eigenen propriozeption in enger zusammenarbeit mit der des tieres.

Martin
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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Martin » Do 17. Jul 2014, 10:17

Nupur hat geschrieben:
Martin hat geschrieben:Als ein Beleg nimmt er die Untersuchungen an der Uni Leipzig.
Diese Untersuchungen haben übrigens keinerlei Belege für eine Überlegenheit der Methode Anz erbracht, insbesondere nicht zu der Fesselstands-Vergleichsgruppe.
Der Abschlußbericht liegt jetzt vor.
Als Nebeneffekt hat die Studie interessanterweise die Ineffizienz von Fußungsänderung durch Hufbearbeitung, sowie von Stellungsbeurteilung durch Röntgenbilder aufgezeigt.
So eine kleine Studie mit so bescheidenen Mitteln kann niemals den Beweis für die Überlegenheit einer Methode liefern. Selbst wenn jetzt eine Methode besser abgeschnitten hätte, als eine andere. Dazu müßte man weit umfangreicher analysieren. Das wäre übrigens die Aufgabe der Hufschmiedeverbände bzw. der staatlichen Lehrschmieden. So eine Studie kann nur Ansätze zeigen, welche Methode wo Wirkung zeigt und das wird dann doch deutlich.
Aber ich bin wissenschaftlich immer sehr viel bescheidener in meinen Erwartungen, weil ich das zu lange selbst betrieben habe. Würde sich herausstellen, dass eine der Sohletheorien ebenso wirksam ist wie die Fesselstandstheorie, hätten es die Hufschmiede viel leichter. Die Fesselstandstheorie macht alles nämlich sehr kompliziert.

Ich beziehe mich in meiner obigen Argumentation nicht auf die Vergleichsstudie, sondern auf die ersten Untersuchungen in Leipzig, die überhaupt mal zeigen sollten, was passiert, wenn man einen Huf nach Anz bearbeitet. Im Gegensatz zu anderen stellt sich Anz ja der Wissenschaft.

Martin
Zuletzt geändert von Martin am Do 17. Jul 2014, 10:57, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Martin » Do 17. Jul 2014, 10:19

fuexjen hat geschrieben:Arbeit nach F-Balance ist ja gut und schön ..... und bei dem auf dem Foto vorgestellten Huf sicher angesagt.

Nur stellt sich mir die Frage: warum wurde er nun NICHT danach bearbeitet? Was ich auf dem Foto sehe, ist einfach nur schiefgeraspelt aber definitiv keine F-Balance.

LG fuexjen
Das sagt doch auch keiner, dass hier nach F-Balance gearbeitet wurde.

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Re: Bearbeitung nach alter Verletzung, diagonaler Gang

Beitrag von Feuerhuf » Do 17. Jul 2014, 20:57

@Martin
So eine kleine Studie mit so bescheidenen Mitteln kann niemals den Beweis für die Überlegenheit einer Methode liefern.

Ich würde es mal anders Ausdrücken. Diese Studie im Rahmen der Dissertation von Frau Hagen hatte nie den Anspruch die Überlegenheit einer Methode herausstellen, sondern unterschiedliche Sichtweisen der Bearbeitungsmethoden mit diversen leidlich standardisierten Meßmethoden zu untersuchen und die Ergebnisse zu vergleichen. Natürlich können nicht alle Faktoren zu 100% berücksichtigt werden. Da ich jedoch an das Gesetz der große Zahl glaube, ist es möglich ein Resumee in Form einer Tendenz ziehen zu können und das lautet, das keine Bearbeitungsmethode in der Lage war die Stellung noch die Belastung wirklich zu ändern. Der auf der DHG Tagung vorgestellte Abschluß bericht ist nicht identisch mit der sich noch in Arbeit befindlichen Dissertation.

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