Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Bearbeitungstechniken
Ibn Kamsin
Beiträge: 13
Registriert: Mi 12. Okt 2011, 18:03
Wohnort: Oberösterreich

Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Ibn Kamsin » Mi 12. Okt 2011, 22:23

Da ich ja noch ziemlicher Neuling auf dem Gebiet bin, hätte ich ein paar Fragen:
Was haltet ihr von den verschiedenen Bearbeitungsformen, welche sind erstrebenswert und mit was habt ihr keine so guten Erfahrungen gemacht?
Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.
Der kleine Prinz – Antoine de Saint Exupéry

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Pat » Mi 12. Okt 2011, 22:49

Auaha! Da fasst du aber ein ganz heißes Eisen an... :D

Ich versuch's mal ganz vorsichtig zu formulieren:
Die Strassermethode ist in vieler Hinsicht recht gut -theoretisch, praktisch aber zu invasiv. D. h. der Huf wird zu stark bearbeitet, u stark geschnitzt, so dass die Pferde danach sehr oft lahm sind. Das wird bewußt in Kauf genommen, denn es dient ihrer Meinung nach der Genesung des Hufes.

Die Biernath-Methode, tja, ganz ehrlich ich bin da sehr verwirrt. Ich habe einige Pferde von Biernath HOs bekommen, weil die Besitzer nicht zufrieden waren. Zu dünne Sohle (auch geschnitzt), fühlige Pferde, ewiges Hinhalten bei Hufproblemen ("das dauert eben").
Gerade dieses Hinhalten, oft über Jahre macht mich stutzig. In einem Jahr ist der Huf einmal komplett durchgewachsen. Wenn dann ein Problem immernoch besteht, dann stimmt was mit der Bearbeitung nicht - denke ich mal so.
In seinem Buch verurteilt Biernath jedoch das Sohleschnitzen und macht auch sonst einen kompetenten Eindruck.

Die schlechtesten Hufe habe ich allerdings von ganz normalen Hufschmieden übernommen.

Und dann gibt es den aus Amerika kommenden Wildpferdetrimm, auch natural hoof care (NHC) genannt. Vordenker ist dort Pete Ramey. Diese Methode halte ich zur zeit für die erfolgreichste.

So viel mal in aller Kürze. :)

Ibn Kamsin
Beiträge: 13
Registriert: Mi 12. Okt 2011, 18:03
Wohnort: Oberösterreich

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Ibn Kamsin » Mi 12. Okt 2011, 22:56

Danke erst mal für die informative Antwort! Ich weiß, dass es ein heißes Eisen ist. Aber gerade, wenn man sich erst seit kurzem mit dieser Materie befasst, wird man durch die verschiedenen Methoden, Ansätze und Bearbeitungsformen doch sehr verwirrt... Und die Anhänger der verschiedenen Methoden können einem meist auch nicht helfen, weil sie ja denken, dass nur Metode ihre die einzig wahre ist... verständlicherweise.

Nachdem ich mir (noch) nicht zutraue, die Hufe selbst zu bearbeiten, muss ich ja auch den Hufbearbeiter nach der Methode wählen, die er anwendet.

Und wenn der Oberbegriff schon Hufbearbeitung heißt, dann sollte doch zumindest ein solcher Thread vorhanden sein. *g*
Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast.
Der kleine Prinz – Antoine de Saint Exupéry

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Pat » Mi 12. Okt 2011, 23:16

Ibn Kamsin hat geschrieben:Und wenn der Oberbegriff schon Hufbearbeitung heißt, dann sollte doch zumindest ein solcher Thread vorhanden sein. *g*
Da geb ich dir völlig Recht! :D

Ich denke, genau wie im richtigen Leben, gibt es auch bei den Bearbeitungsmethoden kein "schwarz" und kein "weiß". Alle Methoden haben ihre Erfolge vorzuweisen und es gibt genügen Pferdebesizer, die mit der jeweiligen Bearbeitungsweise völlig zufrieden sind.
Und ebenso ist eine Bearbeitungstechnik nur so gut wie der, der sie ausführt! Wenn die Biernathbearbeiter jetzt losziehen und die Sohle massakrieren,obwohl sie das bei herrn Biernath anders gelernt haben, dann darf man das nicht der Methode ankreiden, sondern dem Bearbeiter.

Ich beurteile eine Methode danach, ob sie funktioniert. Und ob sie funktioniert muß man einfach ausprobieren.
Wenn ein Pferd nach einer Bearbeitung fühlig oder gar lahm geht, dann ist was falsch gelaufen.Punkt!
Das muß noch nicht unbedingt heißen, dass die Methode grundsätzlich verkehrt ist, aber irgendetwas ist verkehrt gelaufen.

Wenn ein Pferd nach einer Bearbeitung besser läuft als zuvor, dann geht die Bearbeitung in die richtige Richtung, egal wie sich die Methode nennt. Und wenn ein Pferd über Schotter galoppieren kann, dann ist die Bearbeitung gut.
Ich persönlich kenne kein Barhuf-Distanzpferd auf langer Strecke, das nach Biernath oder Strasser bearbeitet wird. NHC bearbeitet schon... ;)

Benutzeravatar
greenorest
Beiträge: 814
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 22:32
Einzugsgebiet: Landkreis RW
Service: (neben)gewerbliche Hufbearbeitung und Hufkurse
Wohnort: Eschbronn
Kontaktdaten:

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von greenorest » Do 13. Okt 2011, 00:28

Hallo,

meiner Meinung nach gibt es für eine gute Hufbearbeitung zwei Kriterien:

-das Pferd läuft gut, insbesondere direkt nach der Bearbeitung nicht schlechter als vorher
-die Hufe verbessern sich oder bleiben in einer gesunden Form ohne z.B. verbogene Wände, Risse, Rillen, untergeschobene Trachten etc.

Meiner Erfahrung nach arbeiten Leute, die dies erreichen, in der Praxis alle recht ähnlich. Die genauen Techniken und Begründungen mögen sich im Detail etwas unterscheiden. Welcher Barhufbearbeiter nun der richtige ist? Meiner Erfahrung nach kann man das an der "Schule" aus dem der Mensch stammt, kaum oder gar nicht festmachen. Ich habe da echt schon alles gesehen...
Wohl aber kann man sich umschauen, wie schon länger bearbeitete Pferde eines Hufbearbeiters laufen und aussehen.

Und es gibt Dinge, die ziemlich sicher eine erfolgreiche Arbeit am Huf behindern:

-hartes Horn an der Sohle schnitzen (häufig extrem bei Strasser, auch bei einigen Biernat-Leuten oder Hufschmieden)
-die Hufe zu stark kürzen (häufig falls der Huf vorbereitet wird wie für einen Eisenbeschlag)
-zu wenig machen, zu lange Intervalle (ersteres häufig bei manchen NHC-Leuten und Schmieden, letztes kommt in allen Richtungen vor)
-den Huf nicht balancieren (überall)


Zum Schluss muss ein Hufbearbeiter immer in der Lage sein, sein eigenes Vorgehen zu hinterfragen und etwas zu ändern, wenn die Maßnahme, die immer funktioniert es bei einen individuellen Pferd nicht tut.

Ich arbeite ebenfalls in Anlehnung an NHC, habe aber da auch schon so einiges gesehen was ich nicht gutheisse. Um im Detail zu beschreiben, nach welchen Kriterien ich Hufe bearbeite, verweise ich aus Platzgründen auf meine Homepage www.pro-barhuf.de

Gruß Tina
* http://www.pro-barhuf.de -Vollständig überarbeitete Auflage des Hufbuchs erschienen *

Benutzeravatar
Lesley
Administrator
Beiträge: 2935
Registriert: Mi 27. Jul 2011, 01:35
Einzugsgebiet: PLZ 10-17
Service: gewerblich: Hufbearbeitung, F-Balance, Hufschuhe, Kleben, angeh. THPin, Energiearbeit
Wohnort: bei Berlin
Kontaktdaten:

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Lesley » Do 13. Okt 2011, 07:43

greenorest hat geschrieben:Zum Schluss muss ein Hufbearbeiter immer in der Lage sein, sein eigenes Vorgehen zu hinterfragen und etwas zu ändern, wenn die Maßnahme, die immer funktioniert es bei einen individuellen Pferd nicht tut.
Und darin sehe ich ganz oft die Ursache von Problemen begründet.

Meine Erfahrung:

- die meisten klassischen Hufschmiede haben die Barhufbearbeitung nicht gelernt und sind sehr eisenfixiert --> Probleme werden eher mit Eisen "gelöst"
- Biernatbearbeiter schnitzen oft ein künstliches Sohlengewölbe, was zur Folge hat, dass das Pferd fühlig ist wegen zu dünner Sohle


Ich arbeite angelehnt an NHC, aber nicht nach Schema F. Ich schaue mir jedes Pferd individuell an und wenn ich merke, dass eine bestimmte Vorgehensweise bei einem bestimmten Pferd nicht funktioniert, dann hinterfrage ich das.
Ziel ist, eine individuelle Lösung für jedes Pferd zu finden: dazu gehört in allererste Linie die Barhufbeareitung, aber auch Hufschutz (Hufschuhe, Kleben, Kunststoffbeschlag).
"Experience is the hardest kind of teacher. It gives you the test first and the lesson afterward." ~Oscar Wilde

„If you are not willing to learn, no one can help you.
If you are determined to learn, no one can stop you.“

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Pat » Do 13. Okt 2011, 09:25

Was mich bei vielen NHC-Bearbeitern stört, ist das dogmatische Ablehnen eines genagelten Kunststoffbeschlages, auch wenn dieser nur zeitweise angebracht wird. Aber vielleicht können wir da im Novemberkurs ein wenig Licht ins Dunkle bringen... ;) Wenn ich es irgendwie hinkriege, werde ich Joker mitbringen. Er hatte 5 oder 6 Monate Beschlag drauf, seit Mitte September sind die runter und bereits jetzt läuft er wieder locker über Schotter. Aber er wird ja auch nach NHC bearbeitet... :)

Meiner Meinung nach ist das größte Problem jeder Lehre das Dogma. Erfolge oder Argumente einer anderen Richtung werden grundsätzlich ignoriert. Damit stellen sie sich aber selbst ein Bein und merken es oft gar nicht wenn sie fallen... ;)

Ein Beispiel eines Kundenpferdes: Friese, Hufschmied (alter Schlag) läßt die über Monate die Trachten stehen, das Pferd steht immer steiler, es kommt zur Zehenfußung und seine Zehe läuft sich dramatisch ab. Seine Lösung, wir ahnen es schon ;) , jetzt braucht er aber dringend Eisen! Und er war sehr verärgert, dass die "dumme" Kundin das nicht eingesehen hat, einem reinen Freizeitpferd Eisen zu verpassen. (Manchmal drängt sich mir die Frage auf, ob die das absichtlich machen. ähnlich wie einige kriminelle Zahnärzte, die nicht auf Zahnerhaltung, sondern auf Zahneratz hinarbeiten.) Das Ergebnis, nämlich dass dieses Pferd jetzt problemlos mit niedrigen Trachten läuft, hat ihn überhaupt nicht interessiert, im Gegenteil er ist schimpfend von Hof gezogen und bearbeitet jetzt auch sein anderes Kundenpferd am Hof nicht mehr ("Wegen einem Pferd ausschneiden fahr ich nicht her.") Nun denn... :think:

Auch hier wil ich auf gar keinen Fall die Hufschmiede per se verteufeln! Es gibt in meinem Umkreis ein paar sehr gute HS, denen ich mein Pferd anvertrauen würde, wenn es einen Eisenbeschlag bräuchte, oder an die ich Kundenpferde verweisen würde, wenn ich damit überfordert wäre.

prigal
Beiträge: 30
Registriert: Mi 12. Okt 2011, 13:34

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von prigal » Do 13. Okt 2011, 10:28

Ich finde diesen Thread sehr interessant und den netten Umgangston muß ich besonders hervorheben :clap:

Martin
Beiträge: 2461
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 10:32
Einzugsgebiet: Nordhessen, Südniedersachsen, auf Anfrage auch bundesweit
Service: Barhufbearbeitung, Hufbeschlag, Klebetechniken, Hufkurse für Jedermann, Spezialgebiet: Sportpferde und barhuf

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von Martin » Do 13. Okt 2011, 11:08

Allerdings darf man nicht vergessen, dass die jeweilige Bearbeitungtheorie oftmals auf einem speziellen Funktionsmodell fundiert. Wenn das aber nicht stimmt, dann gibt es systematische Probleme.

Biernats Modell, so habe ich das zumindest verstanden, fordert einen hohen Tragrand, damit das Hufbein durchfedern kann, ansonsten gäbe es keine Stoßdämpfung. Wenn sich aber der Tragrand nicht bildet bzw. sich der Rand wegläuft, wird er hineingeschnitten, denn anders wissen sich die Biernatpfleger nicht zu helfen. Man muß immer wissen, dass Biernat die Zerstörung des Hufbeins vorhersagt, wenn diese Funktionalität nicht gegeben wäre. Das setzt seine Schüler gewaltig unter Druck.

Nach Straßer gibt es spezielle Hufwinkel, die eingehalten bzw. angestrebt werden müssen und es gibt noch die Forderung der Bodenparallelität des Hufbeins. Auch hier gibt es große Probleme, wenn die Theorie nicht stimmt.

NHC ist keine Methode, die ein einheitliches Funktionsmodell hat. Dazu zählen sich zu viele unterschiedliche Hufleute zu NHC. Aber speziell Jackson hängt sehr stark an einem Hufmodell des "Idealhufs" den er bei den Mustangs verwirklicht sieht. Die neuen Untersuchungen aus Australien stellen diesen Huf aber als Ideal infrage. Ramey ist da weit weniger dogmatisch und versucht seine Theorien immer wieder infrage zu stellen und kann auch dokumentieren, warum er früher mal anderer Meinung war.

Martin

Benutzeravatar
charlsey
Beiträge: 1236
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 13:56
Einzugsgebiet: Remscheid, Wuppertal, Solingen, WK, Schalksmühle, Kierspe, Jülich, Nord-Eifel
Service: gewerbliche Barhufpflege,
F-Balance Professional,
Schulung und Beratung,
Bekleben mit Duplos und Gloves
Hufschuhberatung
Wohnort: Remscheid

Re: Verschiedene Bearbeitungsformen - Unterschiede

Beitrag von charlsey » Do 13. Okt 2011, 12:21

Martin hat geschrieben:NHC ist keine Methode, die ein einheitliches Funktionsmodell hat. Dazu zählen sich zu viele unterschiedliche Hufleute zu NHC. Aber speziell Jackson hängt sehr stark an einem Hufmodell des "Idealhufs" den er bei den Mustangs verwirklicht sieht. Die neuen Untersuchungen aus Australien stellen diesen Huf aber als Ideal infrage. Ramey ist da weit weniger dogmatisch und versucht seine Theorien immer wieder infrage zu stellen und kann auch dokumentieren, warum er früher mal anderer Meinung war.

Martin

das finde ich eine sehr schöne essenz bezogen auf die frage "was ist nhc" eigentlich, was ja zuletzt auch sehr negativ durch die deutsche presse gegangen ist. ich finde den artikel nicht mehr, weiß aber, dass dort auch ein bestimmter dogmatismus gescholten wurde, den ich persönlich genauso wenig sehe, wie martin es beschreibt.
Viele Grüsse,

Claudia

Antworten