Hufbearbeitung nach Biernat

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Anne & Shabou
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Anne & Shabou » Do 24. Mai 2012, 17:30

So als Biologe: Jein! Sicher hast du Recht, dass man mit der Vorgehensweise "so sieht der Wildpferdehuf aus, warum tut er das und was bringt es ihm" herangehen sollte.

Aber Sinn macht Natur nicht immer :D Aber irgendeinen Grund hat sie sicher sicher! In die Richtung, dass sich die Natur nicht überlegt, och bei gerollten Hufen bricht weniger aus, deshalb rolle ich sie mal. Im Gegenteil, ich sehe den gerollten Huf eher als Folge seiner Umwelt, was die Brain Hampson Studien ja belegen. Ob nun das Rollen durch steinigen Boden oder Buddeln nach Wasser entsteht ist ja fast nebensächlich, unsere Beobachtung daraus ist ja eigentlich, dass das Rollen hilft um gerade Wände zu züchten. Aber die Natur macht zumindest so weit Sinn, dass viele Wildpferde lange Jahre eine mittragende Sohle haben und letztendlich nicht an ihren Hufproblemen sterben.

Aber wenn "mein Huf" sich immer wieder eine bestimmt Form anläuft (bei uns war es eine mittragende Sohle und eine deutliche Abrollkante) dann suche ich mir doch die Bearbeitunsmethode, die dem, was der Huf mir sagt, am nächsten kommt. Meiner Meinung macht es dann bei einem gesunden, schotterfesten Pferd keinen Sinn gegen die Natur gegen zu arbeiten. (Was sehr in Richtung Maschas "lass das Pferd doch mal laufen und guck was für ein Huf rauskommt" Richtung geht) Bei massiv veränderten Hufen muss sicher auch mal ein deutlicheres Eingreifen sein.

Was mir als Biologe nur immer auffällt, man muss etwas aufpassen, was Ursache und Wirkung ist. Auch die allseits beliebte Selektion selektiert nicht immer das "beste" heraus, sondern das, was fürs Überleben reicht. Das irgendwelche Fischlein in irgendwelchen Höhlen ganz gut ohne Augen auskommen, zeigt ja nicht dass es ein Selektionsvorteil ist keine Augen zu haben, sondern das es kein Nachteil ist. Und es heißt nicht, dass überall alle Fische ohne Augen auskommen. Deshalb sind Wildpferdemodelle sicher nicht blind für jede Situation übernehmen, aber sie geben uns doch zumindest Anhaltspunkte, wie Hufe aussehen (sollten?) die viel laufen und damit klar kommen.

Martin
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Martin » Do 24. Mai 2012, 19:37

Anne & Shabou hat geschrieben: Das irgendwelche Fischlein in irgendwelchen Höhlen ganz gut ohne Augen auskommen, zeigt ja nicht dass es ein Selektionsvorteil ist keine Augen zu haben, sondern das es kein Nachteil ist. Und es heißt nicht, dass überall alle Fische ohne Augen auskommen.
Laß das!! Du kannst doch nicht die Geheimnisse der Biologen verraten! "Bio" ist doch immer gut und hat immer Recht und damit wir Biologen sowieso. ;) :lol:

Aber Biologen lieben das Kurriose. So fanden neulich Biologen einen Schwamm in der arktischen See im tiefen Wasser, der vermutlich schon 10 000 Jahre alt ist. Er könnte uns, so der messerscharfe Schluß, Geheimnisse des ewigen Lebens liefern.
Allerdings zerstörte die verantwortliche Biologin jede vorschnelle Hoffnung für die Menschheit, indem sie bemerkte: "So ein Schwamm wäre für Menschen nur ein sehr begrenztes Vorbild. Es könne ja sein, dass er nur deshalb so alt wird, weil er ein paar hundert Meter tief, ohne Licht, an einen Ort gebunden, bei beständig 4 Grad C Wassertemperatur lebt. Ob das ein Mensch akzeptieren würde damit er länger leben darf? " :lol: :lol:

Aber zurück zu Biernat. Es bringt nichts Biernats Art zu diskutieren. Wie Strasser, kommt er aus einer Zeit, in der Menschen die auf Eisen verzichteten und Barhufansätze vorschlugen, augelacht oder gar als Tierquäler eingestuft wurden. Das prägt einen Menschen.
Vermutlich tut er sich mittlerweile einfach schwer andere Ansätze zu akzeptieren, weil er sie nur noch als Angriff auf seine Methode verstehen kann.
Es wäre natürlich an der Zeit andere Funktionsmodelle des Hufes zumindest zu prüfen. Prof. Bowker begründet ja auf Basis seiner histologischen Schnitte ein ganz anderes Modell und das sollte man schon ernst nehmen.

Aber Biernat hat ja auch seine Erfahrungen und ich habe schon Interesse daran bestimmte Techniken in mein Repertoire einzubauen, wenn es den Pferden denn hilft.

Martin
Zuletzt geändert von Martin am Fr 25. Mai 2012, 09:09, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Heike4 » Do 24. Mai 2012, 20:32

Ich kann mal meine Erfahrung mit der Bearbeitung nach der DHG, nicht DifHO, erzählen.
Als die HO die Huf noch machte, war der Tragrand deutlich länger als jetzt, war mit Rieddach ausgedünnt, es gab Risse, es gab Kotflügel und meine Stute lief fühlig, sogar vorsichtig hier auf der Weide.
Sie hat(te) breite flache Hufe. Durch das Rieddach war der Tragrand dünn, an den Rissen bog sich der Tragrand nach außen wie ein Fingernagel und gab den mechanischen Reiz weiter. So konnte sich der Huf nicht verbessern. Da die Bearbeiterin trotz meiner vielen Diskussionen nicht einsehen wollte oder konnte, dass wir auch nach zwei Jahren so nicht vorwärts kommen, sie die Bearbeitung nicht ändern kann, hab ich die Hufe alleine bearbeitet. Da in den Wintern auch unter Bearbeitung der HO durch den gepflasterten Boden mehr Abrieb war, die Hufe insgesamt kürzer waren, sich verbesserten, die Risse sich verkleinerten, konnte ich daraus lernen, dass uns kürzere Hufe weiter bringen. Also hab ich als ich alleine bearbeitete die Hufe deutlich gekürzt, oft alle zwei Wochen beraspelt, kein Rieddach mehr, nur unten berundet, denn ein dicker Tragrand kann nicht so schnell biegen und mechanische Reize bringen wie ein dünner Tragrand. Die Erfahrung zeigte auch, dass es nichts bringt an den Kotflügeln den Tragrand nur auszudünnen, aber gleich lang zu lassen, brachte keine Verbesserung, also hab ich da eine Schwebe eingebaut, den Bereich ohne Last gesetzt und nun sind kaum noch Kotflügeltendenzen hinten, keine Risse, bzw. nur noch leichte Windrisse an der Oberfläche der Vorderhufe, vorher hatten wir tiefe hoch reichende Risse....
Gestern sind wir auf Schotterwegen geritten, keine Fühligkeit, früher hätte sie jeden Grünstreifen gesucht, gestern trabte sie auf Asphalt lieber als auf dem Grasstreifen in der Mitte.. Mittlerweile bearbeite ich eher Richtung NHC, noch nicht so ganz mutig wie Fachleute, aber dafür öfter und die Pferde laufen. Heute war SilentDee da und hat zwei Pferde bei mir gemacht und sich meine Bearbeitung angeschaut und hatte nur wenig Veränderungsideen. Das hat mich doch sehr gefreut.

Ich verteufele keine Bearbeitungsrichtung, doch jeder sollte über seinen Horizont schauen und wenn etwas nicht funtioniert, dann muss man eben umdenken und Lösungen suchen.
Geht nicht, gibt es nicht.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Ponyschubser » Do 24. Mai 2012, 22:59

Heike4 hat geschrieben:Ich verteufele keine Bearbeitungsrichtung, doch jeder sollte über seinen Horizont schauen und wenn etwas nicht funtioniert, dann muss man eben umdenken und Lösungen suchen.
Das ist auch meine Meinung. Ich habe leider auch nur negative Erfahrungen mit Huforthopäden gemacht. Eine HO war die erste Hufpflegerin nach dem Schmied an meinem Pony. Die Bearbeitung funktionierte aber nicht.
Auch habe ich Schwierigkeiten überhaupt JB Texte zu verstehen. Seine Ausdrucksweise ist mir einfach zu kompliziert. Ursprünglich wollte ich damals die Ausbildung bei der Difho machen aber nur nach seiner Methode arbeiten zu dürfen hat mich sehr gestört.

LG Tanja

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Heike4 » Fr 25. Mai 2012, 07:42

Auch wenn man selbst und das Pferd letztendlich auch negative Erfahrungen machen musste, so sind sie doch jeden Stein wert, weil sie uns den Weg zum Besseren zeigen, das Lernen erst ermöglichen.

Meine Bearbeiterin war von der DHG und die Frau R. hat die Rö-Bilder sowie Fotos des Hufreheschimmelchens damals selbst beurteilt zur Hilfestellung, doch die Anregung die Zehe zu kürzen, den Hebel zu entfernen, kam von mir (als Laien/absolutem Anfänger 2009) und ich musste viel reden bis das auch umgesetzt wurde. Ich fand es einfach logisch und hab mir einen Fingernagel mit Bluterguss drunter vorgestellt bei dem ich ja auch alles vom Nagel wegnehme was irgendwo anstoßen könnte.

Es gibt in jeder Bearbeitungsrichtung Bearbeiter die gut oder minder gut sind, so ist das nun mal. Doch die Verantwortung liegt beim Besitzer und der muss eben schauen ob es passt. Der Bearbeiter sieht das Pferd ja auch nur alle paar Wochen, hat nur Momentaufnahmen.
Geht nicht, gibt es nicht.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Fr 25. Mai 2012, 08:01

Heike4 hat geschrieben:Doch die Verantwortung liegt beim Besitzer und der muss eben schauen ob es passt. Der Bearbeiter sieht das Pferd ja auch nur alle paar Wochen, hat nur Momentaufnahmen.
Das erzähl mal den Besitzern.... :roll:
"Der Hufschmied hat gesagt..."
"Der muss das ja wissen, der hat das gelernt..."
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Vita » Fr 25. Mai 2012, 09:14

uhh da ist man mal ein halben Tag weg und schon kommt man nicht mehr hinterher :o

Hab nicht viel Zeit heute, deswegen nur das wichtigste:

Also ich schneide nicht auf Teufel komm raus einen Tragrand. Wenn ich nach 4 Wochen hinkomme drück ich die Sohle ab. Ist genug da dann kann ich ggf auch was wegnehmen falls nötig, sonst mach ich nur die Sohlenhügel weg.
Von einer lebenden Sohle zu reden finde ich unpassend, so ist das Sohlenhorn auch ein "totes" Hornprodukt, da ist nur Leben in der Lederhaut in der es produziert wird, wie im Wandhorn auch.

Zu den Wildpferden und NHC Bearbeitung kann ich nicht viel sagen, hab beide noch nicht in echt (NHC bei der Arbeit) gesehen. Denke mir nur bei Wildpferden gibts eben eine natürliche Auslese, nur die die laufen können kommen durch.. Aber gut sahen die paar Mustanghufe die ich auf Fotos gesehen habe nicht aus :( aus meiner Sicht ist nicht jedes dieser Tiere mit komfortablem Laufgefühl ausgestattet.

Aus meiner bis dato geringen Erfahrung kann ich nur sagen das die Pferde die besten Hufe hatten die auch einen guten Untergrund zur Verfügung hatten. Sowohl weich als auch hart. Und die schlechtesten Waldbrandaustreter haben die ausschliesslich weich stehenden Koppelpferde. Da hab ich noch keinen mit steilen festen Hufen gesehen.
Also würde ich sagen liegt es nicht ausschliesslich an der Bearbeitung sondern an der Haltung. Logisch das der Tragrand der Weichtreter in null komma nix weg ist, der der Betonpaddockhalter hält dann viel länger, das Horn ist um klassen besser.

Dazu kommen die flachen Hufe, die deutlich schneller abgelaufen sind, und bei denen es sicher nicht alle 4 Wochen möglich ist auch noch Sohle zu nehmen.

Martin
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Martin » Fr 25. Mai 2012, 11:18

Vita hat geschrieben: Aus meiner bis dato geringen Erfahrung kann ich nur sagen das die Pferde die besten Hufe hatten die auch einen guten Untergrund zur Verfügung hatten. Sowohl weich als auch hart. Und die schlechtesten Waldbrandaustreter haben die ausschliesslich weich stehenden Koppelpferde. Da hab ich noch keinen mit steilen festen Hufen gesehen.
Also würde ich sagen liegt es nicht ausschliesslich an der Bearbeitung sondern an der Haltung. Logisch das der Tragrand der Weichtreter in null komma nix weg ist, der der Betonpaddockhalter hält dann viel länger, das Horn ist um klassen besser.

Dazu kommen die flachen Hufe, die deutlich schneller abgelaufen sind, und bei denen es sicher nicht alle 4 Wochen möglich ist auch noch Sohle zu nehmen.
Das ist in der Beobachtung richtig, allerdings stimme ich Dir in der Bewertung nicht zu.

Wiesenhufe sind eine normale Hufform eines weich stehenden Pferdes, also keine "schlechten" Hufe.

Allerdings sind sie für unsere Zwecke "Pferd als Nutztier" aus diversen Gründen nicht so gut zu gebrauchen, wie eher hart stehende kompakte steile Hufe.

Aber Brian Hampson hat ja nachgewiesen, dass ein äußerlich gut aussehender Huf auch nicht immer innerlich gut sein muß.

Ich versuche deshalb auch Begriffe wie gesund und nicht gesund zu vermeiden, solange ich mir nicht sicher bin ob dem wirklich so ist.

Man kann, meiner Erfahrzung nach, den angestrebten Hufzstand nicht ohne das Nutzungsziel definieren.

Martin

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Huf » Fr 25. Mai 2012, 12:38

Ich versuche wirklich zu verstehen, welchen Sinn die Biernat-Methode verfolgt, aber ich schnalls wirklich nicht.
Ich habe mal versucht einen Huf im Medialschnitt zu malen, ums es für mich deutlicher zu machen. Schwarz ist der unbearbeitete Huf und Rot der nach Biernat bearbeitete. Ist das so richtig? Falls ja, hab ich noch einige Fragen. Blau sollen die Hornröhrchen darstellen.

1. grüner Pfeil. Durch die Bearbeitung ist dieser Wandabschnitt ja der dünnste. Warum bricht dieser Teil beim Abfussen nicht ab? Oder wird er dadurch dass er dünner ist, biegsamer (sozusagen eine Soll-"Bieg"-Stelle) und verhindert somit dass sich beim Abfussen die gesamte Wand verbiegt?

2. grüner Pfeil: Durch die Bearbeitung nehme ich ja ein Stück aus den Hornröhrchen raus, die dann unten ohne Verbindung zum oberen Teil stehen. Sie hängen ja nur noch unter den Röhrchen, die noch eine komplette Verbindung nach oben haben. Das kann doch nicht stabil genug sein um ein Pferd zu tragen, oder doch?! Und was passiert genau im Moment des Abfussens? Da wird doch dann der senkrecht stehende Tragrand nach innen gedrückt, oder? Was ja dann an der oben sehr dünnen Wand (siehe Pfeil 1) einen Knick nach aussen erzeugt und somit die Wand bullnasig verformt? Das kann in meinem bescheidenen Verständnis doch nicht gesund sein....

Ich wäre wirklich dankbar wenn mir jemand Licht ins Dunkel bringt :-)
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Liebe Grüße!
Lieselotte

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von greenorest » Sa 26. Mai 2012, 00:28

Hallo,

vielleicht kann ich ein wenig vermitteln. Zur Erklärung: Ich habe vor etwa 10 Jahren von einem der ersten Biernat-Schüler meine ersten Schritte der Hufbearbeitung abgeschaut. Inzwischen würde ich längst nicht mehr sagen, dass ich "nach Biernat" arbeite, verwende jedoch einige Techniken von Fall zu Fall.

Der Innentragrand in Kombination mit der Reetdachstruktur wird nur an minderbelasteten Wänden angebracht, um den Abrieb dort zu fördern und damit den Huf in eine gleichmäßigere Belastungssituation zu bringen.

Hier ein Beispiel eines schiefen Hufes:

Bild

Die verbogene Wand der minderbelasteten Seite wird von außen beraspelt und gleichzeitig der Tragrand von innen/unten mit dem Hufmesser scharfkantig herausgearbeitet. Der Tragrand wird nicht von unten gekürzt - dies wurde von Biernat-HO damals kategorisch abgelehnt. Berundet wird ebenfalls nicht.

Meine Erfahrung damit: Die Methode funktioniert meiner Erfahrung gut zur Verbesserung schief belasteter Hufe. Wenn man ein Abriebintensives Gelände hat, wie ich es habe, kann es sein, dass man wie oben bearbeiteten Tragrand in einem Ausritt runterreitet. Dann hat man sein Ziel ja erreicht ;-), denn auf der anderen Hufseite war der Abrieb wesentlich geringer und der Huf ist nun schon gleichmäßiger. Ich bin irgendwann dazu übergegangen, die meisten zu langen und minderbelasteten Wände gleich zu kürzen, weil das im wesentlichen den selben Effekt hat wie es beim nächsten Ausritt runterzureiten... Voraussetzung hierfür ist natürlich, häufig genug die Hufe zu bearbeiten.

Die oben beschriebene Methode funktioniert meiner Erfahrung nicht bei
a) zu langen (auch untergeschobenen) Trachten
b) sehr großen Tragrandüberständen
c) Pferden mit wenig Abrieb (Weide)

--> a) Der erhöhte Abrieb entsteht ja auch dadurch, dass die Wand durch das Raspeln dünner ist. An den Trachten ist es aber nicht möglich, diese stark genug zu schwächen, insbesondere dann, wenn bei untergeschobenen Trachten die Wände platt auf dem Boden liegen und die Trachtenecken viel zu weit vorne liegen. Mir fiel auch immer auf, dass Biernat kein Kriterium kommunizierte, an dem man einen zu steilen Huf erkennen konnte.

-->b) Entweder passiert gar nichts (Huf bleibt auf ewig zu lang) oder der Wandüberstand bricht ungleichmäßig weg

--> c) ist offensichtlich

Fatal ist es meiner Erfahrung nach, den Innentragrand dort anzuwenden, wo der Huf die richtige Länge hat oder gar bereits zu kurz ist, indem (in der Regel nur ein kleines bisschen) in die Sohle geschnitten wird. Hiermit wird die Sohle immer ein wenig mehr ausgedünnt als sie nachwachsen kann. Nach einigen Monaten laufen die Pferde denn äußerst fühlig. Der Einsatz der Hufzange schützt nicht unbedingt vor diesem Fehler.

Ich bearbeite Hufe -falls verbogene Wände vorliegen- durchaus von außen. Der positive physikalische Effekt dieser Maßnahme ist die Aufhebung der Hebelwirkung der längsten, verbogensten Hornröhrchen. Hierdurch (und nicht durch die Längenvariation der Hornröhrchen) wird ein weiteres Verbiegung der Wand verhindert/ein gerades Nachwachsen gefördert. Es ist meiner Erfahrung nach nicht nötig, sehr hoch zu raspeln, denn es geht vor allem um die Ausschaltung des Bodenkontaktes. Ich beschränke mich in der Regel auf die untersten ca. 2cm. Zudem erhöht man den Abrieb an Orten, wo der Tragrand nun dünner ist. Hierdurch hat man auch ohne Innentragrand (der siehe oben eh nach ein paar km auf unseren Böden schwindet) einen formenden Einfluss, braucht hierfür aber höheren Gesamtabrieb. Ich berunde die Hufe auch leicht, um im Zehenbereich das Abrollen zu erleichtern und ein Ausfransen der Hufe auf Schotter zu verhindern. Mein Ziel ist es jedoch immer, die Wände irgendwann nicht mehr von außen zu bearbeiten. Am gesunden Huf mache ich nichts an der Wand außer leicht berunden.

Schließlich ist es nicht korrekt, dass NHC die Pferd auf der Sohle laufen ließe. Unsere Pferde haben alle einen sehr prominenten, breiten und starken Tragrand. Dieser ist an den Kanten mit einem Radius von ca. 2-8 mm abgerundet bei einer Gesamtstärke von ca. 5 bis 15 mm (Trachte bis Zehe). Auf Beton stehen die Pferde auf dem Tragrand (meist mit etwas weniger Last im Seitenwandbereich) und auf dem Strahl. Auf vielfältigen Böden übernehmen insbesondere die Randbereiche der Sohle mit Last. Einen Tragrandüberstand größer als 1-2 mm hat aber keines der Pferde und man kann machen was man will, man bekommt auch keinen (ohne das Pferd platt zu schneiden, siehe oben). Es sei denn, man stellt das Reiten ein und sperrt die befestigten Paddockteile ab...

Übrigens variiere ich die Hufbearbeitung auch je nach Einsatzbereich und Böden. Die Pferde oben laufen auf Schotter- und naturfesten (steinigen) Wald- und Wiesenböden. Wenn ein Pferd z.B. viel auf Wiese läuft, lasse ich gerne 2mm Tragrand (die sich natürlicherweise bilden) und mache den inkl. Eckstreben von innen schön scharfkantig. Das gibt einen besseren Grip als der oben beschriebene Schotterhuf.

Gruß Tina
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