Hufbearbeitung nach Biernat

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SilentDee
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von SilentDee » Mi 12. Sep 2012, 17:32

Also, bitte Vita, ich bin jetzt echt geschockt! Das muss jeder Hufbearbeiter wissen! Es gibt doch keine Sehnen ohne Muskel!

Aber andererseits bewundere ich auch, dass Du so offen zeigst, dass Du anatomisch große Lücken hast. Aber zum Wohle aller Pferde bitte ich Dich, Dir mal Anatomie des Pferdes zu verinnerlichen.

Ein Muskel setzt an den Knochen über Ursprungssehne und Ansatzsehne an. Wenn Du an der Fleischtheke mal ein Hühnerbein kaufst, und das sezierst, wirst Du das auch erkennen können, denn Muskeln brauchen diese sehnige Struktur, um am Knochen anzusetzen. Beim Pferd ist der Muskelapparat der Beine durch die Funktion als Zehenspitzengänger mit immensen Flucht- und dadurch Laufeigenschaften notgedrungen im laufe der Evolution umgebaut und an den unteren Extremitäten nur sehnig geworden. Denn Pferde müssen kraftsparend stehen und laufen können, sonst bräuchte es immense Muskelkraft, unf den Zehenspitzen zu laufen. Frag mal eine Ballerina, die Spitzentanz macht, und die hat extra dafür konzipierte Spitzenschuhe...

Guck z.B. mal hier, http://www.ifga.net/index.php?id=104
da ist ein schönes Bild, auf dem man ganz vereinfacht nur die tiefe Beugesehne dargestellt hat, und ganz oben, oberhalt des Vorderfußwurzelgelenks, da wird es orange-fleischig, da ist nämlich der Muskel der tiefen Beugesehne. Und am "oberen Ende" des Muskels hat er auch noch mal eine Sehne. Und wenn Du nun den Text dazu liest, erfährst Du, dass Sehnen eine ganz spezielle Funktion der Kraftübertragung haben vom Muskel! Habe den Text jetzt gar nicht gelesen, nur den ersten Absatz überflogen., war eine 10 Sekunden google-Suche...

Tue mir bitte den Gefallen (und damit auch Deinen Kollegen und den Pferden) und bitte doch mal Herrn JB und seine Ausbilder, die Anatmoe des Pferdes detaillierter zu besprechen, denn hey, die ist existentiell wichtig für das Bearbeiten von Hufen, zumindest wenn es um pathologische Zustände an Beinen und Hufen geht - und ca 95% aller mir neu vorgestellten Hufe weisen Pathologien auf. Oder Fehlstellungen, oder Taktunreinheiten, oder oder oder...

Fühle Dich bitte nicht angegriffen, sondern nimm dies jetzt als Chance, evtl. viel besser zu werden als Deine Kollegen, die gerade zeitgleich die gleiche Ausbildung machen, indem Du jetzt vielleicht doch noch anfängst, über den Tellerrand des JB-tellers hinüberzuschauen und dabei wirklich und ehrlich interessiert zu sein! Ich würde es Dir wünschen!

LG

Puschel
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Puschel » Mi 12. Sep 2012, 17:43

Vita hat geschrieben:Danke für die konstruktiven Antworten..

Also, Sehnen und Bänder ersetzen im Hufbereich die Muskelaufgabe, wie Silent schon schreibt entlastet Trachten hochstellen die Beugesehnen.
Welcher Muskel ist hier angesprochend er plötzlich deswegen übersäuert werden soll?
Hier kann man das zb schön nachlesen: http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servl ... pdf?hosts= Unter Abschnitt 2.2 findet man eine Darstellung der Sehnen.
Tiefe Beugesehne--> M. flexor digitalis profundus
Oberflächliche Beugesehne --> M. flexor digitalis superficialis
der M. interosseus medius setz in 2 Schenkeln am lateralen u. medialen Gleichbein an und zieht nach schräg aufwärts. (Sind doch ein paar Muskeln da unten)
Der M. extensor digitalis communis ist der Ansatz der Strecksehne, diese Sehen verläuft übers Karpalgelenk bis hin zu den Zehengelenken und ist u.a. die Ursache dafür, dass die unteren Beingelenke immer nur alle gestreckt oder gebeugt sein können.
Dann hätten wir noch M. extensor digitalis lateralis, der Muskel sitzt lateral unterhalb des Ellbogengelenks, die Sehne zieht lateral bis runter zum Fesselbein.
Da gibt es noch ein paar mehr Sehnen, aber die rauszufinden ist sicher nicht so schwierig.

Anschließend an die Ausführungen von Martin über das kraftfreie Stehen des Pferdes und das Zusammenspiel der Beuger und Strecker ist zu bedenken, dass diese Muskeln einen bestimmten Muskeltonus haben, der bei Beugern und Streckern so zusammenpassen muss, dass keine der beiden Kräfte überwiegt und das Gleichgewicht besteht. Der Muskeltonus wiederum ist ein gewisser idealer Grundzustand des Muskels, der aus der Vordehnung herrührt. Diese beschreibt, wie weit die Actin und Mysoinfilamente im Muskel ineinander greifen. Ist das Ineinandergreifen zu weit, ist die maximale Kraft nicht errichtbar, weil der Weg den die Filamenten aneinander vorbei zurücklegen können begrenzt ist. Ist die Vordehnung zu starkt, die Filamente also nicht weit genug ineinander gelegt, können sie ihre Kraft ebenfalls nur wenig bis hin zu gar nicht mehr ausüben, da die Kontakstellen Filament zu weit auseinander liegen. Wird eine Sehne in einen zu "weichen" Zustand versetzt, muss der Muskel seine Vordehnung wieder anpassen, um überhaupt in der Lage zu sein, die entsprechende Kraft zu entfalten. Er muss sich also verkürzen. Wird nun die Sehne wieder in einen verlängerten Zustand versetzt, ist die Dehnung der Strukturen wieder zu stark und eine erneutet Adaption ist nötig. Die Sehne selbst ist eigentlich kaum dehnbar, das ist so ein Ammenmärchen, was im Voksmund noch kursiert. Gleichzeitig bedeutet das aber auch, dass eine Veränderung der gegebenen Strukturen in einem recht hohen Maße gegeben ist, weil der Körper sich selbst wieder so eineichen kann, dass die Funktionalität nach Veränderungen wieder herstellbar ist.
Zuletzt geändert von Puschel am Mi 12. Sep 2012, 20:17, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Martin » Mi 12. Sep 2012, 18:16

Thorsten hat geschrieben:
Martin hat geschrieben:z.B. durch ein Eisen mit längeren Schenkeln, ein Eiereisen, ein Heartbareisen usw. , damit ich in der dynamischen Bewegung keine Überlastung im Beugesehnenbereich bekomme.
Martin, das ist mehr als widerlegt. Da gibts mindestens 2 Studien dazu. Eine von vom California Horse Racing Board und eine von der Oklahoma State University. Letztere kann ich dir schicken. Macht aber keinen Spass das zu lesen.
Nur her mit der Studie. Bis sowas nach Deutschland durchdringt kann schon mal ein Jahrzehnt vergehen. :D
Hier in Deutschland macht man das noch so. Ich meine zu sehen, dass ich über die Vergrößerung/Verschiebung der Fussungsfläche eine Beeinflussung der Stellung erreiche. Die Annahme, dass ich dabei die Beugesehne schütze, kann ich damit natürlich nicht beweisen.

Bezogen auf den Distanzsport meine ich erkannt zu haben, dass Pferd mit einer derartigen Trachtenunterstützung nach High-Speed-Distanzrennen weniger empfindlich im Sehnenbereich sind. Aber ein Beweis ist das natürlich auch das nicht.

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Mi 12. Sep 2012, 18:54

Die Studie würde mich auch interessieren. ;)
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Martin » Mi 12. Sep 2012, 19:06

Lesley hat geschrieben:Die Studie würde mich auch interessieren. ;)
Bekommst ein paar Worte ab. ;)

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Lesley » Mi 12. Sep 2012, 19:07

:P
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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von radieschen » Mi 12. Sep 2012, 20:06

Puschel hat geschrieben: Tiefe Beugesehne--> M. flexor digitalis superficialis
Oberflächliche Beugesehne --> M. flexor digitalis profundus
hilfe, moment, verwirrt -
superficialis ist oberflächlich, profundus ist tief.
und M. wird ein musculus sein und keine Sehne (tendine), oder?

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Puschel » Mi 12. Sep 2012, 20:16

Ah, verdammter Fehlerteufel, ich ändere es oben. Aber klar sind das Muskeln, eben die aus denen die Sehnen entspringen, danach hatte Vita gefragt.
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Thorsten

Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Thorsten » Mi 12. Sep 2012, 20:25

Kennst du das Prinzip das Landwirte anwenden? Sie beackern nur fruchtbare Böden. In der Wüste wächst nur selten ein Korn.

Haben wir nicht irgendwo ein Wörterbuch? Da kann man die Begriffe doch mit aufnehmen, oder wir arbeiten mal ein paar Bilder um. Das ist ja auch kein riesen Hexenwerk.

ODER Lesley ist mal so fleissig und baut das Wörterbuch in die neue Version mit ein :D

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Re: Hufbearbeitung nach Biernat

Beitrag von Vita » Mi 12. Sep 2012, 20:26

Puschel Danke für die Studie, lese ich mir morgen mal in Ruhe durch.
Aber gleich am Anfang steht auch das der Muskulus interosseus medius eine rein sehnige Verbindung ist.
Womit wir wieder am Anfang wären, an dem ich dachte das unterhalb des Sprunggelenks sowie unterhalb des Karpalgelenks keine reinen Muskeln zu finden sind.
Das es Sehnen, Beuger und Strecker gibt hab sogar ich gelernt. Aber wo sind die Muskeln die angeblich durch zu hohe Trachten in Mitleidenschaft gezogen wären???


Und ja ich bin schliesslich kein TA, wieso soll ich also in Anatomie so eine Supermaus sein?

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