Trachten: Immer kurz?

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Martin
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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Martin » Mo 16. Jan 2012, 22:40

greenorest hat geschrieben:Hallo,

prinzipiell stimme ich Pete Ramey (in seinem neuen Buch ist ein ähnlich Artikel) zwar zu, dennoch kann man aus seinen Ausführungen meiner Erfahrung nach leicht den Fehlschluss ziehen, zu wenig zu korrigieren.

Ein Beispiel:

Blüter von der Rennbahn, heute Distanzpferd, steht typisch so:
Bild

Ein typischer Fall von ungleichen Hufen:
Der steile, entlastete (Pferd steht manchmal gar nicht richtig drauf, "Kniegängig"=Vorderfusswurzelgelenk eingeknickt):
Bild

Der flache, stark belastete (Pferd steht immer drauf)
Bild

Die Trachten am steileren Huf haben etwas Überstand:
Bild

Der Strahl ist aber total schwach, Strahlfäule liegt vor, Strahlkissen quasi nicht vorhanden. Dennoch habe ich die Trachten auf Sohlenniveau gekürzt (war nicht viel) und SOFORT stand das Pferd auf 4 Beinen, bevorzugt geschlossen, zufällig gar mit mehrbelastung auf dem steileren Huf. Beim Vortraben lief es Barhuf eher besser als vorher, keinesfalls schlechter. Auf Schotter wird es mit Hufschuhen geritten, die nun gepolstert werden.

Bisher wurden die Trachten des steilen Hufes aus Angst, das Pferd fühlig zu machen, zu wenig bearbeitet. Der Huf war durchdurch so aus der Balance, dass der vorne in der Zehenmitte einen Riss entwickelte (mein Bild von vorne ist leider unterbelichtet)

Meine Interpretation: Wenn Pete Rameys Kriterien für "Vorsicht beim Trachtenkürzen" zutreffen, muss man wirklich aufpassen, dass man das Pferd nicht überlastet. Aber wenn man zu wenig kürzt, wird sich die Hufform eben auch nie verbessern, weil die Trachten ob der "Hebel" sind, um die Hufe in die richtige Balance zu bekommen. Zumindest alle Pferde, die ich bearbeite, laufen/stehen im Auslauf eben auch viel auf hartem Boden, wo die Trachten eben NICHT einsinken. Ich würde bei einem Pferd mit schwachem Strahl auch nicht unbedingt bis an die absolute Grenze Trachten kürzen. Aber ich arbeite wenigstens in diese Richtung und greife lieber auf Hufschuhe zum reiten zurück bzw. lasse das Pferd eine Weile auf gutem Boden laufen als dass ich die Trachten zu lang lasse.

In seinem neuen Artikel schreibt Pete Ramey, dass er deutlichen Tragrandüberstand am Ende der Bearbeitungsperiode als Zeichen dafür interpretiert, dass das Pferd eine Zehenfussung zeigt und seine Trachten tendentiell nicht genügend belastet. Ursache sei, dass das Pferd tendentiell Schmerzen im hinteren Hufbereich habe.

In diesem Fall habe ich zwei absolute Gegenbeispiele im Stall stehen. Beide Pferde haben extrem gute Hufe, aber eine naturbedingt steile Stellung. Sie haben einen superdicken, weiten Strahl und zentimeterweise(!!!) festes Strahlkissen. Trachtenlandung: Immer, kein Problem. Trotzdem reibt sich die Zehe beim Abhufen tendentiell etwas mehr ab als die Trachten. Wenn ich hier die Trachten nicht jedes Mal akribisch absolut auf Sohlenniveau (null Überstand) kürze, gibts bei beiden Pferden Bockhufe, wo sich die Zehe noch viel mehr abläuft, also ein Teufelskreis beginnt.

Gruß Tina
Großartige Beschreibung der Bearbeitung solcher Pferde, Tina. Exakt diese Erfahrungen habe ich auch gemacht. :clap:

@Pat
Beim flachen Huf kürze ich moderat die Zehe und rasple die Trachten zurück, soweit es geht.
Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass mit der Kürzung des steilen Hufes der flache sich relativ schnell aufrichtet bzw. es der Huf ist, der sich zuerst positiv entwickelt.

Martin

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Pat » Mo 16. Jan 2012, 22:47

"@Pat
Beim flachen Huf kürze ich moderat die Zehe und rasple die Trachten zurück, soweit es geht.
Allerdings habe ich die Erfahrung gemacht, dass mit der Kürzung des steilen Hufes der flache sich relativ schnell aufrichtet bzw. es der Huf ist, der sich zuerst positiv entwickelt."


Mach ich auch so. Wollte es nur noch mal hören... :)
Der gemeine Schmied versucht dann beim flachen Huf die Trachten "zu züchten", was immer in die Hose geht, da dann die Trachten noch mehr unterschieben und der Huf noch flacher wird.

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Martin » Mo 16. Jan 2012, 23:11

Pat hat geschrieben:

Mach ich auch so. Wollte es nur noch mal hören... :)
Der gemeine Schmied versucht dann beim flachen Huf die Trachten "zu züchten", was immer in die Hose geht, da dann die Trachten noch mehr unterschieben und der Huf noch flacher wird.


Ja, der Weg zur Besserung des flachen Hufes geht nur über Kürzung der Trachten des steilen Hufes.
Bevor ich mich an die Tieferlegung wagte, haben andere vor mir es anders probiert. Es hat nie funktioniert.

Martin

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von greenorest » Mo 16. Jan 2012, 23:48

Hallo,

am flachen Huf mache ich es wie Martin. Bei dem Blüter konnte ich nur minimal bearbeiten, da an dem flachen Huf wirklich wenig Material dran war. Im wesentlich habe ich die Zehe berundet und ein paar Raspelstriche über die untergeschobenen Trachten gemacht.

(Für Fotos nach der Bearbeitung war es leider schon zu dunkel)

Gruß Tina
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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Chicsy » Di 17. Jan 2012, 11:46

Die Fotos von dem Pferd mit den ungleichen Hufe sehe ich jetzt erst (auch wenn Claudia mir das schon erklärt hatte). Ich habe dafür ja auch ein Paradebeispiel. Steht meistens genauso wie das Vollblut und ich schaffe es kaum ihn mal für ein Foto geschlossen hinzustellen.

Das ist der Huf den er immer belastet:
Bild

Und diesen Huf entlastet er meistenss:
Bild

Ich werde das hier weiter verfolgen und bin gespannt wie sich ddie Hufe dieses Vollbluts weiter entwickeln.

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Jouna » Mo 23. Jan 2012, 11:25

Ich habe einen Halbblüter der einen flacheren ( für mich zu flachen ) und einen steileren Huf hat. Winkelunterschied 3 Grad. Strahl ist gut und insgesamt kein Gammel im Huf. Leider bekomme ich den Plattfuß nicht wirklich steiler durch Zehe zurücksetzten usw.

Martin, wenn ich dich richtig verstanden habe müßte ich jetzt versuchen den " besseren " Huf auf das Niveau des platteren runterzustellen und könnte dann versuchen beide gemeinsam zu verbessern ? Funktioniert das deiner Meinung nach, weil dann sozusagen " keine Ausweichmanöver " auf den platteren Huf mehr möglich sind ?
Zuletzt geändert von Jouna am Mo 23. Jan 2012, 12:25, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Mo 23. Jan 2012, 12:02

Aleike hat geschrieben:Insbesondere die Strahle haben sich dankbar erwiesen. Trotz feuchter Witterung und suboptimaler Bodenverhältnisse im O-Stall sind die mittleren Strahlfurchen deutlich geöffnet und sauber, ohne dass ich noch groß was daran machen muss :handgestures-thumbupleft:. Das war vorn immer etwas problematisch.
Ich werde auch nochmal die Gesamtbreite der Strahle nachmessen und vergleichen.
Auf beiden Seiten plus 1/2 cm! :-)

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Mascha » Mo 23. Jan 2012, 12:48

Jouna hat geschrieben:Ich habe einen Halbblüter der einen flacheren ( für mich zu flachen ) und einen steileren Huf hat. Winkelunterschied 3 Grad. Strahl ist gut und insgesamt kein Gammel im Huf. Leider bekomme ich den Plattfuß nicht wirklich steiler durch Zehe zurücksetzten usw.

Martin, wenn ich dich richtig verstanden habe müßte ich jetzt versuchen den " besseren " Huf auf das Niveau des platteren runterzustellen und könnte dann versuchen beide gemeinsam zu verbessern ? Funktioniert das deiner Meinung nach, weil dann sozusagen " keine Ausweichmanöver " auf den platteren Huf mehr möglich sind ?
Dein "besserer" Huf ist vermutlich in Wirklichkeit der schlechtere, da das Pferd ihn vermutlich entlastet. Das ist meistens die Ursache für einen platteren, breiteren Huf ( = mehr belastet) und einen höhreren, schmaleren Huf ( = weniger belastet). Willst du die Hufe nun angleichen, so musst du das Pferd dazu bringen, die Hufe gleichmäßig zu belasten. Das geht nur, wenn man ihm die Schmerzen im höheren, schmaleren Huf nimmt, sodass es auch diesen wieder genauso stark belasten mag wie den platteren breiteren Huf.

Um die Hebelkräfte in dem höheren, schmaleren Huf und damit meistens eine Ursache der ungleichen Belastung zu nehmen, würde ich in der Tat beim höheren Huf die Trachten (und dann ggf. die Zehe) kürzen. Fängt das Pferd dann an, den so bearbeiteten Huf wieder mehr zu belasten, wird sich die Hufform in vielen Fällen langsam aber sicher angleichen.
Viele Grüße, Mascha
Alles, was ich an Beurteilungen abgebe, basiert auf dem Material, das mir dafür zur Verfügung gestellt wurde. Natürlich müsste man für eine vollständige, seriöse Beurteilung der Hufe das Pferd live und in Bewegung sehen.

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Martin » Mo 23. Jan 2012, 15:17

Jouna hat geschrieben:Ich habe einen Halbblüter der einen flacheren ( für mich zu flachen ) und einen steileren Huf hat. Winkelunterschied 3 Grad. Strahl ist gut und insgesamt kein Gammel im Huf. Leider bekomme ich den Plattfuß nicht wirklich steiler durch Zehe zurücksetzten usw.

Martin, wenn ich dich richtig verstanden habe müßte ich jetzt versuchen den " besseren " Huf auf das Niveau des platteren runterzustellen und könnte dann versuchen beide gemeinsam zu verbessern ? Funktioniert das deiner Meinung nach, weil dann sozusagen " keine Ausweichmanöver " auf den platteren Huf mehr möglich sind ?
Ich weiß, was Du meinst, aber orientiere Dich weniger an dem Niveau des jeweils anderen Hufes.
Wenn Pferde lange mit extremen Winkelabweichungen stehen, dann verändern sich die Hufe so deutlich, dass man sich schlecht an der Höhe und Form des anderen orientieren kann. Sie sind dann einfach zu verschieden.
Versuche die Trachten des steilen Hufes deutlich auf Sohlenniveau zu kürzen. Allerdings bildet sich, meiner Erfahrung nach, in solchen steilen und meist auch engen Hufen viele "falsche" Sohle, die man leicht als "echte" fehlinterpretieren kann. Deshalb kürze ich solche Hufe oftmals scheinbar unter Sohlenniveau, dass heißt ich schneide Sohle mit weg. Aber ich glaube, dass ich die echte Sohle dabei gar nicht anrühre. Aber das muss man vor Ort entscheiden. Das Pferd stellt dann die Hufe anders unter den Bauch und kann so den flachen, den es immer nach vorn stellt, mehr zurücknehmen. Das verschiebt die Druckbelastung auf den flachen Huf und der reagiert sofort mit einem korrekteren Trachtenwachstum, mit dem Ablaufen der Zehe und meistens auch mit der Bildung steilerer Wände usw.....Das ist der Grund warum man am flachen Huf meistens soviel eher was an positiver Veränderung sieht, als am steilen.
Allerdings funktioniert das alles nur gut, wenn das Pferd sich die Hufe ablaufen darf. Nur Raspeln und Schneiden ohne gute Barhufbewegung auf Böden mit Abrieb bringt es meistens nicht.

Martin

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Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von SilentDee » Mo 23. Jan 2012, 17:07

Ja, so gehe ich auch immer vor, und ich konnte das gleiche beobachten.

An dem beinahe-Bockhuf setze ich aber die Zehe nicht extra zurück, mache da "nur" die normale Erhaltungsbearbeitung rundum den Abrollpunkt, setze aber die Trachten ordentlich runter.

Der flache Huf wird in den Trachten auch zurückgesetzt, denn meistens sind die zu lang, aber liegen, entferne die übergelegten Teile der Eckstreben und setze die zehe deutlich zurück, so dass der Abrollpunkt besser wird. Denn liegt eine Wandstruktur (Trachte, Zehe oder Eckstrebe) wird der Rest ja auch ins Liegen gezogen.

Relativ deutlich und schnell richtet sich der flachere Huf dann auf (logo, die Trachten liegen ja nicht mehr, er darf sich endlich wieder aufrichten) und der höhere, eigentlich ungemütlichere Huf wird mehr belastet.

Wenn man dem Besitzer das Auge dafür schult, dass das Pferd meist nicht geschlossen steht, und er/sie das mal beobachten soll, dann schildern sie oft nach der allerersten Bearbeitung schon, dass es besser wird. Hab ein Kundenpferd, dass nach 5 Wochen nach so einer eigentlich krass erscheinenden Bearbeitung ("huch, der Huf sollte ja eigentlich gezüchtet werden in den Trachten, sieht jetzt aber arg kurz aus!") das erste Mal seit langen nahezu taktrein lief, das hat immer mit dem einen Bein kürzer getreten. Oder ist hohl gelaufen. Ist ja auch kein Wunder mit einem echt langen Platthuf und einem Bockhuf.

Jeden Huf einzeln betrachten, nie vergleichend angleichen und nach irgendwelchen Winkelgraden bearbeiten.

Lieben Gruß

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