Ich finde ja diese Beugesehne-zieht-Hufbein-in-Rotation-Theorie völlig sinnlos.
Die Beugesehne ist ja nicht allein da, und vor allem zieht sie ja nicht. Sie ist einfach die Befestigung des entsprechenden Muskels (wie jede Sehne, egal, ob Ursprungs- oder Ansatzsehne) am Knochen. In diesem Fall eben an der Unterseite des Hufbeins, so wie es an der oberen, vorderen Kante den Strecksehnenfortsatz des Hufbeins gibt.
Jeder Muskel oder jede Muskelgruppe hat Antagonisten. Und gerade an den Extremitäten sind es nicht einzelne Sehnen, die allein ziehen, sondern sie sind teilweise durch Bänder, Querringe usw. miteinander vebunden, sonst würde öftes mal, wenn das Pferd seitlich z.. auf einen Stein tritt, die Sehne seitlich rausplingen...
Daher sind m.E. alle Untersuchungen, bei denen Kadaverhufe mit dem Röhrbein oder so abgetrennt werden, und dann Zug an die einzelnen Sehnen ausgeübt wird, serh physiologiefremd. Das ist nicht gerade eine natürliche Nachbildung der tatsächlichen Verhältnisse. Und ein Huf ist nummal kein Hornklotz.
Ein Pferd sollte schlafen können und ohne aktive Muskelanspannung dabei stehen bleiben können, genau dafür sind die sehnigen Aufbauten am Pferdebein. Und eben, um diese Zehenspitzenfußung nur auf dem "Mittelfinger" überhaupt zu gewährleisten.
Bei einer Hufrehe ändert sich ja nichts an der Muskelspannung oder dem dadurch messbaren Sehnenzug, sondern wir haben einen entzündlichen Vorgang in den kapillaren der Lederhäute! Und Kardinalssymptome einer Entzündung sind:
◦Schmerz = DOLOR
◦Rötung = RUBOR
◦Schwellung = TUMOR
◦Überwärmung = COLOR
◦Gestörte Funktion = FUNKTIO LAESSA
Das passiert also in der Lederhaut, noch bevor wir überhaupt eine Lahmheit sehen, bevor das Pferd also irgendwas an der Körperhaltung ändert und dadurch evtl. die Muskeln anders benutzt... und verspannt.
Schwellung geht i.d.R. mit einem Austritt von Flüssigkeit in den Zwischenzellraum einher, meist mit den Eiweißverbindungen, die typisch für eine Entzündung sind. Diese eiweißreiche Flüssigkeit quetscht sich also zwischen die Zellen der Lederhaut, also zwischen die oberste Lederhautschicht und die basale Epidermisschicht und dadurch trennt sich dann die Hornschicht-Lederhaut-Verbindung. Je nachdem, wie stark die Schwellung, desto größer ist die Trennung.
Man findet ja wirklich unterschiedliche Ausprägungen vopn Rotationen und dadurch auch nur leicht auseinander gezerrte Lamellenschichten und ganz weit getrennte Lamellenschichten, passend dazu der Grad der Rotation.
Wenn ich also die Entzündung und Schwellung frühzeitig bekämpft bekomme, trennt sich die Lamellenschicht vielleicht nicht komplett... sondern nur leicht.
Durch die Trennung trennt sich meistens m.M. nach die Hufwand von dem Hufbein. Manchmal eben bei "leichten" Rehen eher durch lange Zehe nicht rundum, sondern durch die dadurch mechanisch verstärkte Reizung nur im vorderen bereich, seitlich kann es noch kompensiert werden. Das wird oft als Aufrotation bezeichnet (mindestens bei einer Hufschule

), die Beinachse bleibt erhalten und das Hufbein sinkt nicht weit ab.
Die Entzündung an sich tut weh, aber die dadurch hervorgerufene Trennung mit Wandrotation (Abrotation) führt ja dazu, dass das Hufbein mit seiner scharfkantigen vorderen kante steiler auf die Sohlenlederhaut drückkt, denn da steht ja das Pferd mit seinem Gewicht drauf... und DAS tut extrem weh, das Pferd nimmt dann die bekannte Schonhaltung ein, entlastet die Zehenregion, zeigt Zehenspitzenschmerz, Wendeschmerz, Trachtenfußung ohne Abrollen übder die Zehe usw. Je schlimmer, desto weiter stellt das Pferd die Vorderbeine nach vorne raus, um das Hauptgewicht auf die Trachtenregion und den gepolsterten weichen Anteil des Hufes zu bringen.
Und die Hinterbeine werden dementsprechend auch nach vorn unter die Körpermitte gestellt, um das Hauptgewicht zu tragen, denn die Hinterhufe sind meist die Gesünderen, haben dadurch eine physiologischere Hufform und viel weniger Zehenhebel als die Vorderhufe i.d.R., was dazu führt, dass meist die Vorderhufe schlimmer betroffen sind und manchmal fast ausschließlich betroffen sind. Beugesehnen gibt es an den Hinterhufen ja auch, oder?

Und gerade bei dieser schonhaltung müsste ja an den Hinterhufen das Hufbein noch mehr weggezogen werden, warum passiert das da nicht?
Unbehandelt oder falsch/zu spät behandelt kann m.M. nach die Lamellenschicht sich ganz trennen, und dann zieht durch die Kombi der Schonhaltung (dazu Fehlbelastung der Muskeln mit Verspannungen usw.) und den Versuch des Pferdes, sich zu entlasten, leider aber den in unserer Pferdehaltung nicht dafür geeigneten Boden, die Beugesehne dann doch irgendwann etwas mehr, als die Strecksehne allein gegenhalten kann, denn mittlerweile ist die Sohlenlederhaut, die bei manchen Reheformen ja auch schon die gleichen Probleme hatte wie die Kron- und Wandlederhaut, nur bisher die zusätzliche Reizung der hebelnden Zehenwand nicht hatte, nun doch die zusätzliche Reizung durch den scharfkantigen Hufbeinspitzendruck und dadurch auch dort eine Durchblutungsstörung in der Sohlenlederhaut und der Hufbeinspitze... und dann atrophiert da mit den Entzündungssymptomen die Sohlenhornplatte an dieser stelle, und es wird immer schmerzhafter, das Hufbein rotiert aus der Beinachse (Abrotation/ echte Hufbeinrotation) und kann unten durch die Sohle brechen. Auch kann die Kronlederhaut massiv mitentzünden, und es droht sogar das Ausschuhen...
In der freien Natur gibt es auch Hufrehe, die Pferde haben dann die Wahl, ob sie sich in weichen, evtl. nachgebenden, evtl. nass-kalten Boden stellen, damit sie die Zehe entlasten können, und dann graben sie die Zehe schon etwas ein, denn das ist ja ähnlich entlastend, wie die nach vorne rausstehenden Beine, vor allem wenn sich Boden in die Strahlfurchen usw. drückt und die Muskeln dann eben nicht so verspannt werden müssen, zumal es nicht schon von weitem krank erscheint, was wiederum nicht gerade Fressfeinde anlocken würde. Von weitem schwach erscheinende Tiere werden ja sogar von Jägern angegriffen, die sich bei einem gesunden Tier evtl. nicht trauen würden, also erhöhen sich die Überlebenschancen wieder noch mehr.
Bei uns stehen die Pferde oft auf einer mit Stroh eingestreuen Box auf Betonboden. Nassen Sand in einen Bereich eintreuen erscheint manchen Pferdebesitzern irgendwie unmöglich, obwohl es ja Baustoffhändler gibt, die den sogar liefern würden. Und entsorgen kann man ihn ja hinterher auch wieder... Zumal sich manch Stallbetreiber bestimmt auch über eine Sand-Spende für den Paddock freut.
Ich würde also weiche trockene (dann evtl auch wärmende Einstreu (die nicht gefressen wird) in die eine Seite der Box machen, da kann das Pferd dann auch gemütlich liegen, und die andere Seite nass-kalt-weich-tief-sandig einstreuen, dann kann das Pferd stehen und selbst wählen, was es macht.
Wenn das nicht geht, entlaste ich und versuche die Reizungen zu entfernen, das Hufbein in physiologische Form zu bringen, die Sohlen-Zehenregion zu entlasten, damit die Durchblutung auch dort möglichst ungestört weiterfunktionieren kann- ohne abgedrückt und weiter gereizt zu werden, was wieder zu mehr Schwellung führt...
Bleibt das Hufbein zu spitz und drückt auf den Boden, bilden sich, wenn es nicht durchbricht, eine Skispitze an der Hufbeinspitze (ist immer ein Zeichen für nicht die erste Rehe) oder sogar eine Hufbeinspitzenatrophie, wie sie viele Esel haben.
Grundsätzlich können sich Sehnen nicht verkürzen, die haben auf zellulärer Ebene gar nicht genug flexibles Material, Verkürzen tun sich Muskeln. Sehnen können reissen und dann narbig verheilen, aber das haben wir meist nicht bei Hufrehe.

(Man muss ja auch bei jeder Sache etwas positives suchen und finden...)
LG