Und genau dies ist ein ganz großer Knackpunkt beim Verständnis, und ist einer der großen Unterschiede zwischen vielen Bearbeitern und auch Methoden.
Denn die genaue Definition, was ist was und was wird wie stark und bis wohin gemacht, und warum genau und wie geht das wirklich, stimmt die Theorie dahinter wirklich? Ich sag mal so: Hebelwirkungen usw. sind statische Dinge, die kann man berechnen und messen. Viele Theorien werden nur behauptet, nie "bewiesen". Ich versuche mal, meine Gedanken dazu zu entwirren.
Wand strecken, das ist schon sehr schwammige Wortwahl.

da kann man sehr viel drunter vestehen. Meist ist damit ja gemeint, dass die Wand von außen zu beraspeln, weiter hoch als beim berunden, man macht quasi diese Rieddachkonstruktion. Die soll ja angeblich die Wand eher stabilisieren. Nur wie das wirklich statisch funktionieren soll, konnte mir noch nie irgendjemand wirklich verständlich machen. Ich habe extra vor einiger Zeit mit einem Statiker gesprochen, der Reetdachhäuser baut und konzipiert, und einen solchen Reetdachthaus-Dachdecker. Laut beiden ist die Reetdachstruktur nicht dafür gedacht, eine Stabilisierung in die Richtung zu machen. Es geht um Wasserableitung, nicht Stabilisierung des Daches, dafür ist der Dachstuhl und die Kunstruktion darunter zuständig. (Haben die Fachleute für Reetdächer gesagt, ich gebe das nur wieder)
Für mich ist das Wand strecken nichts anderes, als eine Wand auszudünnen. Man raspelt sie dünner. Nun legt jeder individuell fest, wie weit (ich schmirgele z.B. nur, wenn ich Abrieb an der Wand imitieren möchte) hoch und wie weit in die Tiefe der Wand gestreckt oder ausgedünnt wird.
Ich habe bisher nur Hufe gesehen, deren Wände gestreckt wurden, wo die Hufwände sehr instabil wurden und eher ausbeulten. Das hier ist ein gestreckter Huf, der mir so vorgestellt wurde. Das Pferd lief noch, nur sehr schief, und hatte Einblutungen und ständig Hufgeschwüre:

Seit ich es nur unten berunde, hat es kein einziges Geschwür mehr, die Wand wächst vollständig anders oben heraus, dieses Bild läßt erahnen, wie der Huf nach außen ausgebeult ist.
Das Berunden/ Die Roll werden auch von vielen Bearbeitern unterschiedlich gemacht. Manche raspeln flach nur in der äußeren Wandschicht, manche in der äußeren Schicht (die pigmentierte Schicht) viel steiler hoch, manche raspeln durch die Water Line, also innere Wand, bis an die lamellenschicht rand, andere sogar durch die Lamellenschicht hindurch bis an den Rand der Sohle.Also muss man auch da unterscheiden, was wieso für welchen Zweck.
Ich berunde nur im unteren Teil, habe das Wand strecken an den eigenen Pferden in diversen Varianten ausprobiert, für nicht sinnvoll erachtet. Zu weit werden die Wände instabil, bei ganz wenig ist es ein hübsch rapseln, damit alles angeblich ganz glatt ist ohne Ringe usw.
Aber wenn der Huf gut ausbalanciert wird, wächst das Horn von ganz allein glatt ohne Ringe und Risse nach. Man muss "nur" (und genau das ist die Kunst) dafür sorgen, dass es genau so unten irgendwann ankommt.
Je nach Hufsituation bestimmt ich, wie steil ich berunde, wie weit in die einzelnen Schichten abgerundet wird. und wo überhaupt berundet wird.
Allerdings nehme ich immer vorher den Tragrand auf Sohlenniveau, ich stelle ein Pferd nie nur auf die Sohle.
Bei Bockhufen z.B. arbeite ich nicht berundend im eh schon zu kurzen Zehenbereich.

Dafür werden die Trachten ausgedünnt und berollt. (immer der letzte Schritt nach dem Rest der Hufbearbeitung). Bei zu langen Zehen setze ich die stark zurück, lasse die Trachten total dick und unrund. Bei Rehehufen ist es wieder völlig anders.
Hebel künstlich schaffen würde ich nie. Das hebeln ist nämlich ungesund für die Lamellenschicht.

Hab schon mechanisch herbeigeführte Hufrehepferde im Kundenstamm, denen Hebel gesetzt wurden, um z.B. Hufe zu weiten usw... ist leider schief gegangen. Zwar schon irgendwie weiter geworden, aber leider auch etwas extrem schmerzhaft.
Ohne Hebel zu setzen regeneriert ein huf in Balance von allein.
Mehrbelastete Wände würde ich nie ausdünnen, auch nur minimal unten abrunden, da nehme ich eher Schmirkelpapier als die Raspel.
Lieben Gruß