Trachten: Immer kurz?

Bearbeitungstechniken
Antworten
Aleike
Beiträge: 36
Registriert: Fr 14. Okt 2011, 09:25

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Fr 21. Okt 2011, 23:42

Pat hat geschrieben:Anhand der Sohlendicke kannst du die ursprüngliche Trachtenhöhe wissen? :think:
Hast du das "vorher" Foto gesehen?
Naja, so grob ... wenn man P.R. glaubt, dass eine in Ruhe gelassene Sohle (und bei dem Huf wurde ja laut Text erst noch totes Horn entfernt) ungefähr 1/2-3/4 inch (ca. 1,2-1,6 cm) dick ist, und der Trachtenüberstand länger als die Sohle dick ist, könnte das doch ungefähr hinkommen?
Ein Huf sieht unter dem Eisen einfach so aus!
:( :shock:

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Pat » Fr 21. Okt 2011, 23:52

Ich hab da grad einen Informationstau :lol: in meinem Gehirn...
Weißt du, wo man das nachlesen kann, das mit der Sohlendicke und der Trachtenhöhe?

Benutzeravatar
SilentDee
Beiträge: 2069
Registriert: Mi 7. Sep 2011, 01:03
Einzugsgebiet: Nord-westliches Hamburg und nord(westliches) Schleswig-Holstein, ganze Touren aber auch weiter: Sylt, Dannenberg usw.
Service: Gewerblich.
Barhufbearbeitung, Huftherapie (Rehe, Zwanghufe usw), Hufschuhanpassung und -Beratung/ Verkauf, natürlich auch reine Beratung und/oder Schulung auf Wunsch.
- sehr ausgebucht und schwer erreichbar -
Kontaktdaten:

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von SilentDee » Fr 21. Okt 2011, 23:53

Hmm, schwieriges Thema, weil es so viele unterschiedliche Fälle gibt. Ich versuche mal, mein Vorgehen zu beschreiben.

Je nachdem,. wie das Pferd vor der Bearbeitung läuft, wie es steht, und wie dann die Strukturen sind (also auch Strahlpolsterausbildung, Hufknorpel, Strahl an sich usw.) entscheide ich, wie viele mm ich überstehen lasse. Ich formuliere vor den Besitzern ein Ziel, das es u.U. über mehrere Bearbeitungen hinweg erreicht wird, und taste mich dann gerade bei schwachem Strahlpolster und "minderbemitteltem" Strahl dran. Aber mehr als 5 mm habe ich, meine ich, nur bei dem extremen Rehe-Absenkungshuf jemals stehen lassen. Da gehe ich dann aber nicht erst nach 5 Wochen wieder hin, ist ja klar.

Bei einem sehnenanfälligen Rennpferd habe ich mal wöchentlich gekürzt, weil es eine massive Stellungsänderung war, die der Huf an sich benötigte, um seinen extremsten Trachtenzwang zu kurieren, aber der Strahl war mittig quasi offen, und den haben wir behandelt, denn wenn zu schnell die Trachten gekürzt werden, während der Strahl noch krank und autsch ist, fußt das Pferd zehenfußend, um den dann zu empfindlichen Trachtenbereich zu schützen. Und da haben wir lieber Strahlpolster in Hufschuhe gepackt, das Pferd viel bewegt, den Strahl tamponiert usw. und durch das Polster hat das Pferd den Strahl benutzt und durchblutet, während es aber ohne autsch gelaufen ist. Der Strahl hat sich auf diese Art von 2,8 auf 5,3 cm verbreitert, Stück für Stück haben sich die Trachten geweitet, die inneren Strukturen gekräftigt, und auch die Muskeln und Sehnen angepasst. Das Pferd reagiert super schnell auf jede kleinste Veränderung mit dicken Beinen... Mittlerweile läuft das Pferd auf allen Beinen trachtenfußend ohne Hufschuhe und die Trachten haben einen Überstand von ca 1,5 mm über der lebenden Sohle. Und die Sohle zeigt an, dass es langsam noch niedriger werden kann. Der Huf steht immer noch etwas zu steil, und die Sohle zieht sich langsam wieder in den Trachtenecken zurück (wie überall, es entsteht grad eine tolle Sohlenwölbung) wodurch der Trachtenüberstand wieder größer wird, die Eckstreben fangen an, zu bröckeln usw... Ich denke, jetzt nach einem halben Jahr wird der Huf noch mal massiv Fortschritte machen.

Ich lege versuche, das zu machen, was der Huf hergibt, und zwar mit der Priorität, dass während der Umbaumaßnahmen und Gesundung ein komfortables Laufen möglich ist. Denn bewegung ist das A und O. Aber ich würde dafür nie Tragrandüberstand lassen, wenn er eigentlich weg muss. Da schütze ich den Huf lieber mit Sohlenpolstern übergangsweise oder klebe einmal.

Trachten: Immer kurz? Ja, passend zur harten Sohle, denn die passt sich auf die Beinstellung an, wenn man sie nicht beschnitzt. Manchmal aber über mehrere Sitzungen langsam herantastend, während die hinteren Strukturen genesen dürfen. Aber mehr als 5mm habe ich sie noch nie stehen gelassen, und manchmal sind es echte Klotzhufe mit krasser zehenfußung, einfach weil sie schon lange so bearbeitet werden. Diese Pferde stehen dann mit Verspannungen rückständig auf der Vorderhand, und stehen weitaus entspannter, wenn man sie runter nimmt.

Lieben Gruß

Aleike
Beiträge: 36
Registriert: Fr 14. Okt 2011, 09:25

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Fr 21. Okt 2011, 23:55

Pat hat geschrieben:Ich hab da grad einen Informationstau :lol: in meinem Gehirn...
Weißt du, wo man das nachlesen kann, das mit der Sohlendicke und der Trachtenhöhe?
Da, unter dem zweiten Satz Fotos.

Aleike
Beiträge: 36
Registriert: Fr 14. Okt 2011, 09:25

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Sa 22. Okt 2011, 00:02

SilentDee, danke für die ausführliche Beschreibung!
Muss ich morgen in Ruhe noch mal lesen, wenn ich die Augen wieder aufhalten kann.
Gute Nacht allerseits! :greetings-waveyellow:

Aleike
Beiträge: 36
Registriert: Fr 14. Okt 2011, 09:25

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Mi 26. Okt 2011, 10:41

5 mm Überstand über der Sohle ist ja auch schon ganz schön viel. Ich hatte meinem Pferd einfach ein bisschen mehr gelassen als an den anderen Bereichen, eher so bei 2-2,5 mm.

Seit gut 2 Wochen versuche ich nochmal, mich über eine leichte Mustangroll auch an den Trachten an weniger heranzutasten.
(Früher habe ich immer rundherum berundet, ich weiß gar nicht mehr, warum ich das irgendwann nicht mehr gemacht habe?)
Läuft er sich das schmalere Wandhorn an den Trachten ab, gut: Werden die Trachten kürzer. Läuft er es sich nicht ab, auch gut: Mag er sie noch nicht ausreichend belasten.
Mal sehen, was draus wird.

Aleike
Beiträge: 36
Registriert: Fr 14. Okt 2011, 09:25

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Aleike » Mo 16. Jan 2012, 12:17

So, ich habe mich im Laufe der Zeit langsam an kürzer (und auch regelmäßiger, gehe meist am WE kurz dabei) herangearbeitet. Und, wie wahrscheinlich die meisten hier erwartet haben ;-) hat sich das bewährt. Mir selbst war dabei auf Dauer hilfreich, mich mehr am Zurücksetzen und nicht nur an der absoluten Länge zu orientieren.

Insbesondere die Strahle haben sich dankbar erwiesen. Trotz feuchter Witterung und suboptimaler Bodenverhältnisse im O-Stall sind die mittleren Strahlfurchen deutlich geöffnet und sauber, ohne dass ich noch groß was daran machen muss :handgestures-thumbupleft:. Das war vorn immer etwas problematisch.
Ich werde auch nochmal die Gesamtbreite der Strahle nachmessen und vergleichen.

Benutzeravatar
SilentDee
Beiträge: 2069
Registriert: Mi 7. Sep 2011, 01:03
Einzugsgebiet: Nord-westliches Hamburg und nord(westliches) Schleswig-Holstein, ganze Touren aber auch weiter: Sylt, Dannenberg usw.
Service: Gewerblich.
Barhufbearbeitung, Huftherapie (Rehe, Zwanghufe usw), Hufschuhanpassung und -Beratung/ Verkauf, natürlich auch reine Beratung und/oder Schulung auf Wunsch.
- sehr ausgebucht und schwer erreichbar -
Kontaktdaten:

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von SilentDee » Mo 16. Jan 2012, 13:26

Klasse! :clap:

War zu erwarten (auch der positive Effekt auf den Strahl), aber supi, dass Du Dich getraut hast.

Du schaltest dadurch ja auch blöde Hebel aus, wenn die Trachten zurückgesetzt sind.

Lieben Gruß

Benutzeravatar
greenorest
Beiträge: 814
Registriert: Fr 12. Aug 2011, 22:32
Einzugsgebiet: Landkreis RW
Service: (neben)gewerbliche Hufbearbeitung und Hufkurse
Wohnort: Eschbronn
Kontaktdaten:

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von greenorest » Mo 16. Jan 2012, 22:10

Hallo,

prinzipiell stimme ich Pete Ramey (in seinem neuen Buch ist ein ähnlich Artikel) zwar zu, dennoch kann man aus seinen Ausführungen meiner Erfahrung nach leicht den Fehlschluss ziehen, zu wenig zu korrigieren.

Ein Beispiel:

Blüter von der Rennbahn, heute Distanzpferd, steht typisch so:
Bild

Ein typischer Fall von ungleichen Hufen:
Der steile, entlastete (Pferd steht manchmal gar nicht richtig drauf, "Kniegängig"=Vorderfusswurzelgelenk eingeknickt):
Bild

Der flache, stark belastete (Pferd steht immer drauf)
Bild

Die Trachten am steileren Huf haben etwas Überstand:
Bild

Der Strahl ist aber total schwach, Strahlfäule liegt vor, Strahlkissen quasi nicht vorhanden. Dennoch habe ich die Trachten auf Sohlenniveau gekürzt (war nicht viel) und SOFORT stand das Pferd auf 4 Beinen, bevorzugt geschlossen, zufällig gar mit mehrbelastung auf dem steileren Huf. Beim Vortraben lief es Barhuf eher besser als vorher, keinesfalls schlechter. Auf Schotter wird es mit Hufschuhen geritten, die nun gepolstert werden.

Bisher wurden die Trachten des steilen Hufes aus Angst, das Pferd fühlig zu machen, zu wenig bearbeitet. Der Huf war durchdurch so aus der Balance, dass der vorne in der Zehenmitte einen Riss entwickelte (mein Bild von vorne ist leider unterbelichtet)

Meine Interpretation: Wenn Pete Rameys Kriterien für "Vorsicht beim Trachtenkürzen" zutreffen, muss man wirklich aufpassen, dass man das Pferd nicht überlastet. Aber wenn man zu wenig kürzt, wird sich die Hufform eben auch nie verbessern, weil die Trachten ob der "Hebel" sind, um die Hufe in die richtige Balance zu bekommen. Zumindest alle Pferde, die ich bearbeite, laufen/stehen im Auslauf eben auch viel auf hartem Boden, wo die Trachten eben NICHT einsinken. Ich würde bei einem Pferd mit schwachem Strahl auch nicht unbedingt bis an die absolute Grenze Trachten kürzen. Aber ich arbeite wenigstens in diese Richtung und greife lieber auf Hufschuhe zum reiten zurück bzw. lasse das Pferd eine Weile auf gutem Boden laufen als dass ich die Trachten zu lang lasse.

In seinem neuen Artikel schreibt Pete Ramey, dass er deutlichen Tragrandüberstand am Ende der Bearbeitungsperiode als Zeichen dafür interpretiert, dass das Pferd eine Zehenfussung zeigt und seine Trachten tendentiell nicht genügend belastet. Ursache sei, dass das Pferd tendentiell Schmerzen im hinteren Hufbereich habe.

In diesem Fall habe ich zwei absolute Gegenbeispiele im Stall stehen. Beide Pferde haben extrem gute Hufe, aber eine naturbedingt steile Stellung. Sie haben einen superdicken, weiten Strahl und zentimeterweise(!!!) festes Strahlkissen. Trachtenlandung: Immer, kein Problem. Trotzdem reibt sich die Zehe beim Abhufen tendentiell etwas mehr ab als die Trachten. Wenn ich hier die Trachten nicht jedes Mal akribisch absolut auf Sohlenniveau (null Überstand) kürze, gibts bei beiden Pferden Bockhufe, wo sich die Zehe noch viel mehr abläuft, also ein Teufelskreis beginnt.

Gruß Tina
* http://www.pro-barhuf.de -Vollständig überarbeitete Auflage des Hufbuchs erschienen *

Benutzeravatar
Pat
Beiträge: 2101
Registriert: Do 11. Aug 2011, 14:37
Einzugsgebiet: Heidekreis bis Hannover
Service: gewerblich; Barhufbearbeitung, Duplobeschlag, zertifizierte Duploanwenderin, Hufkurse; F-Balance Professional
Wohnort: Walsrode (Lüneburger Heide)
Kontaktdaten:

Re: Trachten: Immer kurz?

Beitrag von Pat » Mo 16. Jan 2012, 22:22

Wie war deine Strategie bei dem flachen Huf?

Antworten