Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Alles was den Huf gesund erhält bzw. Hufkrankheiten
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SilentDee
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Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von SilentDee » Do 16. Aug 2012, 14:02

Hallo in die Runde,

ich glaube, das (Un-)Wort Hufrolle ist in den letzten Jahren derart häufig und auch leider in diversen unterschiedlichen Bereichen benutzt worden, dass es vielleicht auch mal hier bei uns zum Thema mit einem eigenen Thread aufsteigen sollte.

Denn (in Deutschland, wie es woanders ist, weiß ich nicht aus eigener Erfahrung) ist es mittlerweile eine ganz häufige, sogar sehr schnell gestellte Diagnose in der Pferde-Schulmedizin, und irgendwie ist alles ganz schwammig und der Leidtragende ist das Pferd und der verwirrte, verängstigte Pferdebesitzer.

Um da nun mal aufzuräumen, fände ich es toll, wenn alle mal ihr Wissen, Ihre Erfahrungen, ihre Erfolge und Misserfolge, vielleicht Röntgenbilder, Fotos usw. zusammentragen könnten, damit das Thema Hufrolle einerseits seinen Horror verliert, andererseits mal durch Wissen auch mal sinnvoll behandelt werden kann.

So, Schluß der Predigt. Ich würde mich über rege Beteiligung freuen, und beginne mal mit dem Satz:

"Hufrolle" hat jedes Pferd, und zwar 4 Stück davon! Und das ist auch gut und richtig so! :D

Die Hufrolle ist ein Synonym für einen Bereich im Huf. Der besteht aus diversen anatomischen Bestandteilen, ist somit aus ganz verschiedenen "Materialien" zusammengesetzt, die jedes für sich erkranken können.

Beteiligt sind folgende Strukturen, die zusammen die Hufrolle bilden:
- das Strahlbein (Knochen, im Röntgenbild mit der Oxspring-Aufnahme darstelbar)
- die Bursa Podotrochlearis, der Schleimbeutel, der quasi zwischen dem Umlenkknochen (Strahlbein) und der tiefen Beugesehne, die ja über diesen Knochen zieht und dann am Hufbein ansetzt, sitzt und diesen belasteten Bereich quasi abpuffert und dämpft und die Reibung und dadurch den Verschleiß der Sehne und des Knochens verhindert. (im Körper gibt es viele solcher Schleimbeutel, vor allem wichtig an großen Gelenken)
- dem unteren Bereich dieser angesprochenen tiefen Beugesehne
- den seitlichen und unteren Strahlbeinbändern (da es sich um eine Aussackung eines Gelenkes handelt, sind logischerweise Bänder beteiligt, wie in jedem Gelenk)
- den Seitenbändern, quasi alle Bänder, die zwischen Hufbein, Kronbein, Fesselbein (manche ziehen quer hoch usw.), Strahlbein, aber auch den Hufknorpeln usw. bestehen
- in dieser Region befindliche Arterien, Sehnen, Lymphgefäße, Nerven
- unter und hinter der Beugesehne liegen das Strahlpolster und die Ballenpolster als bindegewebige Strukturen

In allen bindegewebigen Strukturen, seien es Seitenbänder o.ä. werden also Nervenfasern geführt. Verdeutlicht ist die Anatomie hier ganz schön bildlich dargestellt: http://www.hufrollensyndrom.de/html/die__hufrolle_.html, wenn auch manche Strukuren zwar in den Bildern ersichtlich, aber nicht speziell angesprochen und markiert werden, w.z.B. die Polster von Strahl und Ballen. Und ich freue mich total, dass ein paar Seiten weiter die neueren Erkenntnisse mit eingeflossen sind, also auch Strahlkissen, Durchblutung, Dämpfung usw: http://www.hufrollensyndrom.de/html/kra ... ozess.html

Es gibt alle sehr viele einzelne Strukturen (habe ich welche vergessen, dann bitte ergänzen :D ), die alle für sich erkranken und somit Schmerzen machen können.

Die Diagnose: Hufrollenerkrankung bedeutet erst mal "nur", dass festgestellt wurde, dass eine bestehende Lahmheit aus diesem Bereich der Hufrolle kommt. Was da nun genau erkrankt ist, ist damit noch gar nicht herausgefunden. Sicher ist nur: der Schmerz sitzt im hinteren Bereich des Hufes!

Das kann man oft sehen, wenn Pferde versuchen, diesen Bereich nicht zu belasten, oft schon lange, bevor überhaupt eine Lahmheit auftritt, denn Pferde versuchen natürlich, gar nicht erst so krank zu werden, dass sie wirklich lahmen müssen. und Pferde lahmen erst recht spät, denn in ihren instinkten ist das Wissen verwurzelt, dass das Pferd einer Herde, was lahmt, als erstes einem Raubtier zum Opfer fällt!

Problematisch ist nun aber, genau herauszufinden, welche dieser Strukturen denn nun wirklich die erkrankte Struktur ist! Denn all das befindet sich sicher gepackt in einer Hornkapsel!

Man kann sich vorstellen, dass man das Strahlbein untersuchen kann über Röntgenaufnahmen. Brüche können dargestellt werden, und somit auch ausgeschlossen werden. Ein ganz typischer Röntgenbefund sind die sogenannten Lollipops, vergrößerte Kanälchen im Strahlbein, die die Oberfläche des Knochens betreffen können, und das Gelenk damit dann belasten und die Sehne reizen kann. Es gibt aber auch Pferde, die haben diese Lollipops von Geburt an... und sind nie einen Tag deswegen lahm... es gibt Pferde im Hochleistungssport, die diese Lollipops haben, und nie lahm waren... Lollipops allein sind also kein Indiz für Schmerzen! Ist aber leider oft allgemeingültige Praxis, dass Pferde allein wegen (manchmal sogar nur durch Zufall (z.B. bei einer großen AKU)) gefundener Lollipops die Diagnose Hufrollenerkrankung gestellt bekommen und dann nach schulmedizischer Sicht unbedingt Trachtenerhöhung oder Eiereisen, also auf alle Fälle einen Spezialbeschlag brauchen.

Die Bänder und den unten in der Hufkapsel befindlichen Teil der Beugesehne zu untersuchen ist nun sehr aufwendig und kostenintensiv. Denn einfach mal den Ultraschall dran halten geht wegen der dicken Hornkapsel nicht.

Würde man den Verdacht eines Fesselträgerschaden haben, würde man schallen, und dann das Pferd auf einen Bänderschaden behandeln, oder? Nicht einfach Trachtenerhöhung/ Spezialbeschlag und dann normal weiter reiten, oder??? Also kein Wunder, dass solchermaßen behandelte Pferde oft nach 1-2 Jahren völlig platt sind und große Folgeschäden haben, die natürlich den Lollipops zugeordnet werden! Einen Fesselträgerschaden derart unbehandelt und nicht auskuriert zu belassen hätte ja als logische Schlussfolgerung auch einen Geichbeinschaden zur Folge und die weitere Zerstörung des Fesselträgers...
Und genau das haben einige Mediziner festgestellt bei der "Hufrolle". Oft wird die Sehne oder die Bänder durch falsche Hufstellung oder mangelhaften Beschlag überlastet, eine latente Reizung und Entzündung ist die Folge, was dann irgendwann als Folge den Knochen angreift...
(Hat jemand den Link zu diesen Studien und den Ergebnissen zufällig greifbar?)

Natürlich kann der Schleimbeutes entzünden, die echte Podotrochleose, ist dann eingetreten.

Man kann also über weiterführende Untersuchungen (Leitungsanästesien) einzelne Bereiche auszuschliessen versuchen, leider diffundiert das Anästetikum sehr schnell in den Bereichen in alle Richtungen, und wirklich perfekt den gewünschten Bereich zu treffen, hey, das ist auch eine Kunst! Da gibt es viele Fehldiagnosen.

Man kann Szintigraphieren.

Man kann das Pferd in manchen Kliniken ins MRT schicken. Teilweise werden hierbei massive Schäden ersichtlich, welche im Röntgenbild nicht darstellbar waren: Wieder ein Direktlink zu der oben schon verlinkten Seite: http://www.hufrollensyndrom.de/html/ker ... rafie.html.
Die teuerste Untersuchungsmethode, und am stehenden (oft sedierten) Pferd nicht in jeder Klinik möglich. Aber die untersuchungsmethode mit den größten und besten Darstellunsgmöglichkeiten vor allem auch der Weichteile und deren Schädigungen.

Wenn man genau weiß, welcher Teil der Hufrolle nun wirklich erkrankt ist, kann man ihn auch sinnvoll behandeln!

Wenn Schäden eingetreten sind, die nicht mehr so leicht zu behandeln sind, kann man oft trotzdem eine Schmerzhaftigkeit erreichen durch Kräftigung der hinteren Strukturen, denn oft sind diese einfach über Jahre unterentwickelt.
Verkümmerte Strähle, Trachtenzwanghufe, unteerentwickelte Strahlpolster, kleine, gequetschte Ballenpolster, unterentwickelte Hufknorpel, zu wenig Gefäße in diesen Strukturen...

Bei einer Barhufumstellung kann man diesen Defiziten langfristig entgegenwirken. Viele Pferde laufen schon noch lahmfrei auf unterentwickelten Strukturen herum, zeigen Zehenfußung, achtet mal drarauf, wie die Hufe auffußen bei den Pferden, denen ihr begegnet!
Diese Fußung kann man gesunden lassen. Dadurch erreicht man dann die Kräftigung der hinteren bereiche, und vielleicht erkranken diese Pferde dann niemals an den Strukturen der Hufrolle. und schon erkrankte Pferde können evtl. nach 1 Jahr wieder schön und gesund (oder wenigstens schmerzfrei) laufen. Denn Sehnen- und Bandprobleme heilen ja auch irgendwann, wenn man ihnen die Möglichkeit gibt.

Eine Behandlung der einzelnen Strukturen macht nur langfristig Sinn, wenn die Ursache der Erkrankung gefunden und auc behandelt wird.

Also, achtet schon auf die Hufgesundheit, bevor Euer Pferd Lahmheiten zeigt! Das ist die beste Vorbeugung! Rückständiges stehen zeigt, der hintere ufbereich ist unangenehm, Zehenfußung auch! Schaut mal genauer auf die Hufe Eurer Pferde! *Predigermodus aus* ;)

So, Ergänzungen, andere Erfahrungen, Fallbeispiele, Fragen, Ideen, Bilder, Röbis usw., bitte. :mrgreen: ich fände es klasse, wenn wir hier mal ein bisschen sammeln könnten, und dadurch vielleicht dem einen oder anderen Pferd solche Erkrankungen ersparen, oder erkrankten Pferden vielleicht auch eine Hilfestellung bieten könnten, denn es gibt sooo häufig die Diagnose: Hufrollenentzündung, und genauso häufig ist das entweder eine viel zu schnell gestellte Fehldiagnose, oder es wird fehlbehandelt ohne Chance auf lanmgfristige Heilung!

Ich werde auch noch Beispiele einstellen. Und ein paar Bilder, Röbis usw.

Muss nur jetzt erst mal los!

Lieben Gruß

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Pat » Do 16. Aug 2012, 14:17

Sag mal, ist das ein Vortrag, den du irgendwo gehalten hast und mal eben hier rein kopiert? :lol:

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Lesley » Do 16. Aug 2012, 14:43

Als mein Pferd vor etlichen Jahren lahm war und der TA quasi ratlos, kam dann die Diagnose "Hufrollensyndrom". Die Röntgenbilder (habe ich leider nicht mehr) waren lt. TA nicht eindeutig, aber es wurde vorsichtshalber mal empfohlen, einen geschlossenen Beschlag anzubringen. :?
Habe ich nicht gemacht... Pony ist jetzt 22 und topfit. ;)

Einem Kundenpferd von mir wurde auch die Diagnose "Hufrollensyndrom" gestellt. Die Röntgenbilder habe ich gesehen, aber die waren so schlecht, dass sie mir nichts brachten. Ich habe dann erstmal "Gewissensberuhigung" für die Besitzerin betrieben und mögliche Bearbeitungsvorschläge usw. gemacht. Geändert haben wir bis heute nichts. Die Hufe entwickeln sich super, Pferd läuft. ;)
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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Mascha » Do 16. Aug 2012, 14:56

Die Diagnose "Hufrolle" wird auch häufig vorschnell und ohne vernünftige Untersuchung getroffen. Habe schon oft von Pferden gehört, deren Lahmheit angeblich aus einer Hufrollen Problematik resultieren sollte und kaum behandelt man mal die Strahlfäule, schon ist die angeblich kranke Hufrolle auf wundersame Weise mit geheilt und das Pferd läuft wieder. :roll:

Ansonsten fällt mir immer noch auf, dass es nach wie vor sehr verbreitet ist, einem Pferd, das eh schon zehenfußend geht auch noch Keile unter die Trachten zu nageln, was oft dazu führt, dass die Trachten noch weiter einrollen und die ganze Problematik sich immer weiter verschlimmert.

Am besten fährt man bei Hufrollenproblemen meiner Meinung nach damit, den hinteren Hufbereich zu sanieren, damit das Pferd von der Zehenfußung wegkommt. Denn wie ja mittlerweile herausgekommen ist, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Zehenfußung nicht durch das Hufrollensyndrom verursacht ist, sondern das Hufrollensyndrom durch die Zehenfußung.
Viele Grüße, Mascha
Alles, was ich an Beurteilungen abgebe, basiert auf dem Material, das mir dafür zur Verfügung gestellt wurde. Natürlich müsste man für eine vollständige, seriöse Beurteilung der Hufe das Pferd live und in Bewegung sehen.

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von SilentDee » Do 16. Aug 2012, 23:41

@ Pat: Das ist so ein schnell dahingetippter Text, den ich eigentlich immer bei meinen Kunden abspulen, wenn sie mich wegen Hufrolle fragen... ;)

Und da ich mich ja, wie Ihr wisst, nicht kurz fassen kann, und irgendwie meinen persönlichen "Kampf" gegen nur-mal-so-eben-Diagnosen von manchen Schulmedizinern (leider) führe, finde ich es eben wichtig, so möglichst viel Aufklärung zu treiben, denn wenn ein studierter Tierarzt eine Diagnose stellt, dann vertraut man dem ja in der Regel. Und eigentlich sollte das auch so sein, nur leider sieht es in der Realität ja oft so aus, dass man manchmal, wenn man sich auf einen Fachmenschen verlässt, wirklich verlassen ist. Leider. Und hiermit konnte ich meinen Viel-text-Tip-Wahn voll und ganz ausleben! :mrgreen:

Kann da mal ein Beispiel zu einem Hufrolle-Pferd schildern, nämlich meinem Eigenen! :mrgreen: (Manche kennen die Story schon)

Mein Pferd ist ein jetzt 8-jähriger Quarter Horse Wallach, lebt im Offenstall, läuft seit 3 Jahren barhuf über jeden Boden, auch über aufgeschotterte Wirtschaftswege will er mal galoppieren, wenn man ihn lässt... also Hufe in Ordnung, würde ich mal so sagen, obwohl er, als ich ihn kaufte, eine mit dem Finger eindrückbare Sohle hatte und nicht mal auf der Weide laufen konnte.

Er kommt den einen Tag im Frostwinter diesen Jahres total kaputt von der Koppel, ich habe das Gefühl, er ist komplett schief, weiß nicht wirklich, wie er seine Füße setzen soll. Für mich steht fest, er hat sich beim Toben wohl hingepackt. Also Physio gerufen, Hüfte gerichtet und einiges andere, er läuft besser. Zurück bleibt eine irgendwie unklare Lahmheit vorne. Mal denke ich, Hangbein links, dann wieder Stützbein rechts... (Bei meinem eigenen Pferd leide ich immer total mit uns fühle mich sehr betriebsblind)
Also eine Tierärztin angerufen, die auch eine Osteo-Ausbildung hat. dachte, das kann nicht schaden. Die gute Dame (hat mehrere Bücher geschrieben, habe ich später gehört) wußte schon am Telefon, dass er wahrscheinlich Hufrolle hat. Denn Rasse, Alter und Barhuf sind wohl schon genug Anzeichen dafür gewesen. ich hab sie dann gefragt, ob sie das Pferd noch persönlich und life sehen will... Na, ja, sie ist gekommen.
Erste Frage: Warum zum Teufel ist das arme Pferd denn bloß nicht beschlagen, die Hufe sind ja soooo kurz! Das geht gar nicht! (Komisch, dass er damit über jeden Boden läuft, auch 4-5 Stunden-Ausritte... Nur halt jetzt aktuell lahm ist. Sonst nie! Die Hufe hat er ja schon länger so, die Lahmheit ist neu und passt zum Weideunfall)
Lahmheitsdiagnostik bestand aus angucken und dann sollte ich ihn führen, aber bitte bloß nicht auf Asphalt, er sei ja barhuf. (Das war der Moment, als ich dachte, irgendwo steht die versteckte Kamera! :? ) Auf gefrorenem Wiesenstück konnte sie also an der Lahmheit eindeutig vorne links als Hufrolle diagnostizieren.
Ich fand immer noch, vorne rechts... Links höchstens Hangbeinlahmheit, und das käme von weiter oben...
Ich bat sie dann noch, ihn mal anzufassen.... (Palpation gehört ja eigentlich auch dazu), und zaghaft nahm sie seinen linken Huf hoch, er hatte keinen Bock drauf und hat sofort weggezogen, was sie als hochgradige Schmerzhaftigkeit betitelte. Ich kenne mein Pferd, seit seinen beiden Bein-OP's zieht er immer erst mal weg! :D
Diagnose also Hufrollenentzündung, Behandlungsvorschlag: Spezialbeschlag (das arme Pferd braucht ja eh Eisen) und Entzündungshemmer...
Ich hab sie gebeten, zu gehen und nicht wiederzukommen, denn das wäre weder eine Lahmheitsuntersuchung noch irgendeine sinnvolle Untersuchung.
Das war nur unterhaltsam. Aber stellt Euch mal vor, ich hätte gemacht, was die TÄ wollte...

Herausgestellt hat sich übrigens nach zwei weiteren Fehldiagnosen, dass sein Strahlbein perfekt aussieht, Röntgenklasse 1! Und seine Sehnen gut sind, es war eine Hufgelenksentzündung, warscheinlich ist er in ein Loch getreten oder sonst wie verstaucht... Bei seinem Weideunfall. Er hatte ja auch eine Blutblase im Strahl gehabt.

Die beiden Tierärzte zwischendurch waren auch alle bei Hufrolle, denn nach der Leitungsanästesie am linken Bein ist die Lahmheit ja umgesprungen. ;) Kein Wunder, denn links ist er nicht lahm, er hat eben seine Verletzung am rechten Bein... Wäre schön gewesen, wenn mal einer der drei TÄ wenigstens die Lahmheit richtig lokalisiert hätte... In der Thermographie war das rechte Bein 4° kälter als das Links und die Hinterbeine...

Wir haben jetzt die Bursa anästesiert gehabt, und hey, die Lahmheit kommt definitiv nicht von dort. Erst die Hufgelenkanästesie hat sie besser gemacht, und in Kombi mit dem Check Ligament ist sie ganz weg. (Unterstützungsband der Beugesehne am Gleichbein, also viel weiter oben...)
Soviel zur Diagnose Hufrolle!!! :D

Sie wird andauernd gestellt, und bewahrheitet sich im Verhältnis selten. (Mein Pferd hat übrigens hinten etwas erweiterte Lollipops, war nie lahm, und verändert haben sie sich auch nicht... Hab vor kurzem mal kontrollgeröngt.)

Lieben Gruß,

Marina

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Pat » Do 16. Aug 2012, 23:45

Magst du mal Fotos von den Hufen einstellen?

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von SilentDee » Fr 17. Aug 2012, 22:41

Klar, ein paar von vor der Lahmheit habe ich schon irgendwo eingestellt, außerdem ist es der Strahl blutet-Huf. ;) Aktuelle muss ich mal machen, denn es ist total spannend, wie sie sich durch die Schonhaltung entwickeln...Man sieht deutlich, welche Hufbereiche noch belastet werden mochten und welche nicht.

Aktuell ist er beklebt, denn wir wollten gewisse Abrollmechanismen beeinflussen, um die Sehnengeschichte noch mal etwas aufzukochen, denn es ist ja nun schon etwas länger so und aktuellere Geschichten heilen besser aus, als wenn sie blöde vernarbt sind... Oh, vielleicht habe ich beim kleben welche von vorher gemacht, muss ich mal meine Speicherkarte durchforsten... Röbis könnte ich dazu einstellen, von dem Hufrolle-Pferd mit guter Hufrolle... :mrgreen:

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Pat » Fr 17. Aug 2012, 22:57

Was meinst du mit "Sehnengeschichten aufkochen"?

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von SilentDee » Fr 17. Aug 2012, 23:58

Tja, wenn eine Sehne eine Schädigung hat, und das Pferd sie durch Schonhaltung (oder Boxenknast ohne Bewegungsprogramm, wie es früher häufig gemacht wurde) derart schont, dass sie aber vernarbt verheilt, kann man das heute evtl. gut heilen, indem man die Geschichte wieder aufkocht, indem man nun das Gangbild forciert normalisiert, was das Narbengewebe wieder etwas zerstört, also eine erneute entzündliche Reaktion an der, hmm, falsch zusammengewachsenen Sollbruchstelle (daher gibt es so viele Rezidive nach zu viel Stehen ohne Bewegungsprogramm), herbeiruft, um dann die neueren Methoden der Heilung in Kombi mit einem Bewegungsprogram einzuleiten, damit die Gewebsschäden dann narbenfreier verheilen.

Da manchmal eine Schonhaltung eine HGE (Hufgelenksentzündung) nach sich ziehen kann, habe ich seine Schonhaltung quasi gestört durch den Bekleb mit krassem Abrollpunkt usw., so das er normaler (ungeschonter) das bein benutzt, es also wieder gereizt wird, damit es dann neu verheilen muss...Man kann das häufig bei alten Sehnengeschichten beobachten, dass die Pferde das Bein total einseitig nutzen. Da fehlt dann nur eine Bodenwelle, tiefer Boden, zu wenig Aufwärmung oder eh zu viel Leitungsforderung, und schwupps, reisst das Narbengewebe wieder auf, und die endlose Sehnengeschichte geht wieder los. Oder eben eine HGE tritt auf, die dann vielleicht wieder arthrotische Veränderungen nach sich zieht...

Ganz häufig kommen bei Lahmheiten Ursachen-Komplexe vor, z.B. Pferd tritt in Loch, verstaucht sich das Hufgelenk und überdenht eine Sehne. Behandelt man nur eine der Ursachen, kann die andere ja weiter schmerzen, und dann kann das wieder Schonhaltungen nac sich ziehen, die wiederum eine weitere Struktur schädigen. Und oft wird ein schmerzhafter Bereich ja nicht mal bemerkt, weil ein Pferd erst lahmt oder tickt, wenn es echt so schlimm ist, dass es in Kauf nimmt, als lahm aufzufallen zwischen den anderen Pferden - und von potentiellem Räuber als leichte Beute erkannt zu werden. Pferde zeigen eben erst sehr spät an, wenn etwas weh tut. Deswegen springen Lahmheiten auch oft um, ohne gleich eine echte hufrollenproblematik zu sein.

Man kann quasi sagen, Hufrolle heisst, es hat irgendwelche Schmerzen im hinteren Hufbereich.

So wie eine Kolik immer erst mal irgendwelche Bauchschmerzen sind, und ein Tumor jede Variation von Gewebewucherung... ist halt ein Sammelbegriff.

Aber ich schweife mal wieder total ab vom Thema Hufrolle... :oops:

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Re: Hufrolle - das leider alltägliche Mysterium

Beitrag von Pat » Sa 18. Aug 2012, 09:29

Kannst du mal den Huf verlinken? Ich weiß jetzt nicht mehr, wo der schon mal zusehen war.
Aber es gibt ja auch bald neue Fotos, sagst du. Bin schon sehr gespannt!

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