chronische Hufrehe wie gehts weiter?

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TinaH
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von TinaH » Mi 28. Okt 2015, 12:53

:?: :?: :?:

Enzym?
Meinst Du Chromosom/Allel? Es ist doch kein Enzym defekt...

Und mein Wallach ist homozygot und er lebt. Aber bei den Westernpferderasse überleben homozygote das Fohlenalter wohl kaum.
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Lesley
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Lesley » Mi 28. Okt 2015, 14:57

Ja, es ist ein Gendefekt, der dazu führt, dass bestimmte Enzyme ihre Tätigkeit nicht mehr ausführen können. Und je nachdem, welche Enzym beeinträchtigt ist, werden verschiedene Typen unterschieden, wobei das glaube ich nur nomenklatorisch so ist. Ich meine, in der Praxis wird das eher nicht unterschieden, weil es für den Umgang mit der Erkrankung primär keine Rolle spielt. Es könnte aber z.B. erklären, warum manche Pferde auf Chrom mit einem Schub reagieren und andere nicht.
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Pferdefreund » Mi 28. Okt 2015, 16:14

Das Gys1 Gen, auf welchem der PSSM1 Gen Test basiert, codiert fuer das Enzym, die "Glycogen Synthetase 1". Dieses Enzym funktioniert nicht ganz normal und macht statt lang-kettigem Glycogen, eine verzweigte Kette, die dann bei Bedarf (Muskelaktivitaet) nicht so einfach in Glucose abgebaut werden kann, weshalb der Muskel dann nicht genuegend Energie zur Verfuegung hat. Diese Mutation ist in jedem Pferd die selbe, die mit dem Gentest getestet wurde. Sie hatte nur einen einzigen Ursprung. Warum Pferde troztdem so unterschiedliche Symptome zeigen liegt ziemlich sicher am genetischen Hintergrund (insbesondere in Bezug auf den genauen Aufbau des Muskels und evtl auch den anderen Enzymen im Glykogen Stoffwechsel (evtl gibt es doch eine genetische Variante dessen Enzym selbst das verzweigte Glycogen ganz gut abbauen kann, bisher allerdings unbekannt), an der Haltung und Fuetterung.

Hier ist eine ganz nette Studie, die letztens rauskam:

http://journals.plos.org/plosone/articl ... ne.0042317

Diese wirft zwar auch eher mehr Fragen auf als dass sie beantwortet.

Fuer PSSM2 gibt es bisher keinen Gentest. Deswegen kann man den nur ueber Muskelbiopsie nachweisen, ueber die Pathology weiss meines Wissens gar keiner wirklich was. Ich denke mal wir hier reden alle von PSSM1, wo alle Pferden die identische Gys1 Mutation haben.

Lilli
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Lilli » Mi 28. Okt 2015, 21:04

chiron hat geschrieben: Bei dem vorliegenden Verlauf ist ganz klar der Insulinspiegel immer noch jenseits von Gut und Böse (siehe Hornkluft im Zehenwandhorn der Röntgenbilder), was nur an einer Ineffektivität des Glukosetransports in die Zelle und einer Übersteuerung des Insulinregelkreises liegen kann - und das ist mit 95%iger Wahrscheinlichkeit ein akuter Chrommangel. Futterreduktion ist hier nur sekundär wirksam. Also Chromhefe in das Pferd rein ... und stellt das Pferd auf den Strahl und die Trachten so schnell wie geht, wie nupur schon sagte. Den Rest bekommt man mit der Zeit durch entsprechende Hufbearbeitung wieder hin.

Gruß,

chiron
Warum bist du dir da so sicher? Und woher kommt die Info, daß das Chrom tatsächlich hilft? Und wie genau?
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chiron
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von chiron » Do 29. Okt 2015, 12:07

Lilli ... eine berechtigte Frage ...

Ich kann dir jetzt hier keinen wissenschaftlichen Beweis vorlegen, aber vielleicht meinen Kenntnisstand zu der Sache:

- Die jüngsten Untersuchungen von Chris Pollit zum Thema Hufrehe aus dem Jahr 2013 (? - nicht der Fruktan - Inulin - Irrweg aus seiner Feder) zeigen, dass kern- und hufgesunde Ponys mit einer entsprechenden externen Insulingabe ausnahmslos eine Hufrehe entwickeln. Der Wirkmechanismus ist noch nicht zweifelsfrei geklärt, es wird aber angenommen, dass der erhöhte Insulinspiegel an den Zellen der Huflederhäute den IGF3-Rezeptor blockieren könnte (insulin like growth factor 3), der eine Art evolutionsbiologischen Vorläufer des Insulins darstellt und der eine wesentliche Rolle in der Steuerung des Grundumsatzes einer Zelle spielt. Soll heißen, dass die Zufuhr von Glukose in die Huflederhautzelle aufgrund des erhöhten Insulinspiegels nicht (wie z.B. bei Muskelzellen) erhöht sondern reduziert wird (Huflederhautzellen haben keinen Insulinrezeptor!). Das würde auch erklären, warum bei einer akuten Rehe eigentlich eine verminderte Stoffwechselaktivität der hornproduzierenden Zellen erkennbar ist (Hornkluft durch weniger Hornbildung) und auch Nekrosen der Huflederhäute auftreten. Der Organismus versucht mit erhöhter Durchblutung des Gewebes entgegenzuwirken (Pulsation), um die unterversorgten Zellen zu retten. (Die Veterinärmedizin spricht auch heute noch von einer Ischämie des Huflederhautgewebes bei Rehe, auch wenn leider der Begriff der "insulininduzierten Rehe" als Hauptmechanismus der Rehe auch heute noch vielen Vets unbekannt ist.) Daher meine Folgerung des immer noch hohen Insulinspiegels aufgrund der deutlich sichtbaren Hornkluft unterhalb des Kronrandes im aktuellen Röntgenbild.

- Die Rolle von Chrom: Es ist in der Humanmedizin schon ziemlich lange bekannt (wenn auch nicht gerade gerne publiziert durch die Pharmaindustrie), dass Chrom eine wesentliche Rolle bei der Wirksamkeit von Insulin an der Zellmembran spielt. Untersuchungen sprechen von einer bis zu 20-fach verringerten Wirksamkeit von Insulin an der Zellmembran bei einem bestehenden Chrommangel (daher auch der Begriff der Insulinresistenz - das Gewebe reagiert zunehmend verschlechtert auf Insulingaben, die Dosis muss immer weiter erhöht werden, um den Blutzuckerspiegel noch senken zu können). Die Substitution von Chrom bei menschlichen Typ-II-Diabetikern hat gezeigt, dass dieses bis zu einer vollständigen Normalisierung des Kohlenhydratstoffwechsels führen kann und mit den positiven Effekten der verminderten Insulinresistenz und erhöhten Glukosetoleranz einhergehen. Sicherlich spielen da auch noch andere Krankheitsursachen eine Rolle (auch andere Spurenelemente). EMS ist aber vereinfacht gesagt der Diabetes-Typ-II des Pferdes.

- Ich habe selbst ein EMS-Barhufpferd, welches erst seit der gezielten Substitution von insbesondere Chrom, aber auch anderen Mineralstoffen und Spurenelementen (Mangan, Molybdän, Kupfer) aus der Situation der "schleichenden" Rehe sowie der regelmäßigen, jahreszeitlich verstärkten Reheschübe rausgekommen ist. Allein mit Fütterungsmanagement, konsequenter Hufbearbeitung und maximalmöglicher Bewegung war da nichts zu machen in Richtung "restitutio ad integrum". Inzwischen wird das Pferd wieder barhuf geritten und freut sich seines Lebens.

- Du kannst auch gerne mal einen Mineralstofftherapeuten oder Experten für orthomolekulare Ernährung bzgl. der Wirkung und Anwendung von Chrom fragen ...

LG,

Chiron

P.S.: Wie genau Chrom hilft wolltest du auch noch wissen: Chrom ermöglicht die Bindung / verstärkt die Affinität des Insulinmoleküls am Insulinrezeptor der Zellmembran, welches wiederum die Schleusung von Glukose aus dem Blut ins Zellinnere steuert.

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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Lilli » Do 29. Okt 2015, 13:28

Ahhhhh, danke Chiron.

Hast du evtl. einen Link zur Politt Untersuchung?

(Mei, ich habe vor ein paar Tagen erst noch die Fructan-Inulin Theorie gelernt)

Aber was nun wirklich wahr ist :doh: Jede 2 Jahre neue, plausible, nachvollziehbare Untersuchungen....

Ich habe ja auch ein founderd IR Pony und heute kam 1kg Chrom. Ich werde es mal länger und etwas mehr geben, mal schauen, wie es sich entwickelt.

"- Du kannst auch gerne mal einen Mineralstofftherapeuten oder Experten für orthomolekulare Ernährung bzgl. der Wirkung und Anwendung von Chrom fragen ..."
Das mache ich gerne mal. Allerdings ist dann wieder alles toll plausibel erklärt und nächste Woche findet wieder jemand anderes, etwas anderes heraus oder interpretiert einfach einen Sachverhalt in anderer dennoch wahren Weise :shifty:

Über Chrom beim Menschen hatte ich schon vor 2 Jahren einiges gelesen.
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Juria » Do 29. Okt 2015, 14:16

Vielen Dank für deine Erklärung Chiron,

ein paar Fragen hätte ich noch. Wieviel Chrom hast du deinem Pferd damals gegeben, bzw. gibst du? Nach welcher Zeit hast du eine deutliche Verbesserung festgestellt? Und auf welche Mineralstoffe und Spurenelemente hast genau geachtet? Du hast Mangan angesprochen, wo siehst du da einen Zusammenhang?

LG, Juria

chiron
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von chiron » Fr 30. Okt 2015, 11:23

Moin,

@Lilli: Den bzw. die Links muss ich raussuchen, ich meine es wäre direkt auf der Seite seiner Uni gewesen ... muss ich aber nochmal wühlen ...

Fructan - Inulin habe ich auch noch aktuell von meinem Prof gelesen bekommen, der Begriff "insulininduzierte Rehe" sagte ihm jetzt nicht wirklich was. Da aber Chris Pollit diese seine eigene Fructan-Theorie selbst widerlegt hat (und sich eigentlich alle "Reheursachen" einschließlich EMS, ECS, Stress, Überfütterung, Haferkistenplünderung, Cortisongaben, chronischen Entzündungen in diesem insulininduzierten und -toxischen Modell mMn plausibel erklären lassen), habe ich da nicht wirklich Probleme, Inulin als Haupt-Ursache von Rehe zu vergessen ...

Ein Mineralstofftherapeut würde im Übrigen die vier Mineralstoffe Chrom, Zink, Mangan und Kupfer (neben Kalium- und Natrium sulfuricum, Nr. 6 und 10 nach Schüssler) als relevante Spurenelemente im Kohlenhydratstoffwechsel nennen - die ersten drei sind in Bierhefe vorhanden.

@Juria:
Zu den Details / Mengen / Futtermitteln schreibe ich dir eine PN. Spurenelemente siehe oben, feinstofflich nach Schüssler sind das die 17, 21 und 27. Mangan wird deswegen herangezogen, da Diabetiker einen nachweislich gesenkten Manganspiegel haben. Eine biochemisch detaillierte Erläuterung dazu habe ich aber noch nicht gefunden.

Gruß,

Chiron

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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Lilli » Fr 30. Okt 2015, 12:22

Ja, bitte Chiron such den Link :P Eilt ja nicht.

"Ein Mineralstofftherapeut würde im Übrigen die vier Mineralstoffe Chrom, Zink, Mangan und Kupfer (neben Kalium- und Natrium sulfuricum, Nr. 6 und 10 nach Schüssler) als relevante Spurenelemente im Kohlenhydratstoffwechsel nennen - die ersten drei sind in Bierhefe vorhanden."

Jetzt hast mich neugierig gemacht. Hast du mehr Infos dazu?

Und ich nehme die Mengenangaben auch gerne als PN 8-)
"Alles wird gut" (Anna und TinaH)

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Helga
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Re: chronische Hufrehe wie gehts weiter?

Beitrag von Helga » Fr 30. Okt 2015, 13:44

Chiron, schickst du mir bitte auch eine PM. Was du in welcher Menge fütterst, würde mich auch interessieren. Danke :)

Für den Link wäre ich auch dankbar

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