Pferde "vom Gras nehmen"

Carina
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Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Carina » Sa 9. Aug 2014, 12:49

Hallo,

in vielen Threads kommt früher oder später der Vorschlag, das Pferd "vom Gras zu nehmen", für 5 Tage oder auch einen Monat.

Dazu hätte ich zwei Fragen:

1. Wenn man ein Pferd plötzlich vom Gras nimmt, muss sich die Verdauung umstellen, was Stress bedeutet. Nach 5 Tage ist die Verdauung dann weitgehend umgestellt. Und was dann? Ich habe gelernt, dass man nach 5 Tage Graspause das Pferd wieder neu anweiden muss, also mit sehr kurzen Zeiten beginnen und über Wochen wieder verlängern. Wer hat dafür die Zeit und Gelegenheit? Wird das auch immer gemacht?
Meine Sorge ist, das man durch die zweimalige komplette Umstellung der Verdauung in kurze Zeit und evtl. schlechtem Wiederangrasen mehr schadet als nutzt. Wie sind Eure Erfahrungen?

2. Jetzt mal absichtlich schwarz/weiß: "Gras ist übel, Heu ist gut". Jetzt wissen wir ja alle, dass Heu aus Gras gemacht wird. Und aus zu fettem Gras (Kuhweide) wird wohl auch zu fettes Heu werden, denke ich.
Weiß jemand, wie sich Gras und Heu unterscheiden? Wird bei der Trocknung mehr als Wasser und Vitamine abgebaut? Wie ändert sich der Fruktan-Gehalt?

Danke und Grüße

Carina

saskia
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von saskia » Sa 9. Aug 2014, 14:17

Zu 1 : wenn man ein Pferd vom Gras auf Heu umstellt, hat der Stoffwechsel damit anscheinend keine grossen Probleme. Manchmal kommt man auch nicht umhin, sowas abrupt zu machen (z.B. verletzungsbedingt, oder beim akuten Reheschub). Das scheint keinem Pferd zu schaden.

Andersrum hast du recht : bei länger als 1-2 Tagen vom Gras muss wieder sorgfältig angeweidet werden.

Zu 2 : erster Absatz : unterschreib ich auch wieder so.

zweiter Absatz : es heisst, dass bei Heu die Inhaltsstoffe zumindest konstant sind. Bei Gras hast du je nach Jahreszeit und sogar je nach Tageszeit/Wetter/Temperatur/Feuchtigkeit wechselnde Inhaltsstoffe. Z.B. nach viel Regen nach längerer Trockenheit hat's Gras plötzlich viel mehr Fruktan als in den Wochen davor. Frühmorgens hat's weniger Fruktan als zu Mittag, und zum Abend hin ist's dann wieder anders. Bei niedrigen Nachttemperaturen ist der Fruktangehalt wieder anders als bei warmen Nächten, bei viel Feuchtigkeit und kühlem Wetter können sich Pilze auf den Gräsern ansiedeln, die in den Wochen/Monaten zuvor noch nicht da waren, usw usw. Also diese Schwankungen können Pferden zu schaffen machen. Bei Heu hat man das nicht.

Vitamine zerfallen im Heu nach und nach (deswegen sollte man bei reiner Heufütterung wohl auch lieber Mifu ergänzen), Fruktane bleiben leider erhalten, sofern man das Heu nicht wäscht. Lediglich bei Heulage soll der Fruktangehalt schwinden, da durch den Gärprozess das Fruktan verbraucht wird.

Soweit meine bisher angelesenen Weisheiten....
Theorie ist, wenn man alles weiß und nichts klappt. Praxis ist, wenn alles klappt und keiner weiß warum. Oft sind Theorie und Praxis vereint: nichts klappt und und keiner weiß, warum.

katiebell
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von katiebell » Sa 9. Aug 2014, 16:40

Der Fruktangehalt spielt keine grosse Rolle, interessant ist der Gesamtzucker und Gesamtstärke.
Richtig, wer empfiehlt das Gras wegzulassen und gleichzeitig nicht darauf hinweist, dass das Heu unter 10% Zucker und Stärke haben soll (ansonsten muss gewässert werden, und manchmal sogar auch bei 10% noch, weil es zuviel sein kann) und aus engmaschigen Heunetzen und/oder Slow Feedern gefüttert werden sollte, hat irgendwas nicht richtig verstanden.
Im Heu ist kaum Vitamin E, das muss zugefüttert werden. Andere Vitamine halten sich gut, Mineralien und Spurenelemente bleiben auch erhalten (ein MiFu sollte so zugefüttert werden, dass es zum Heu passt).

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Sani
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Sani » Sa 9. Aug 2014, 17:21

Carina hat geschrieben: 1. Wenn man ein Pferd plötzlich vom Gras nimmt, muss sich die Verdauung umstellen, was Stress bedeutet. Nach 5 Tage ist die Verdauung dann weitgehend umgestellt. Und was dann? Ich habe gelernt, dass man nach 5 Tage Graspause das Pferd wieder neu anweiden muss, also mit sehr kurzen Zeiten beginnen und über Wochen wieder verlängern. Wer hat dafür die Zeit und Gelegenheit? Wird das auch immer gemacht?
Bei akuter Hufrehe ist das Pferd ja wesentlich länger als 5 Tage vom Gras, danach muß man wieder langsam anweiden (wenn überhaupt).
Meine Sorge ist, das man durch die zweimalige komplette Umstellung der Verdauung in kurze Zeit und evtl. schlechtem Wiederangrasen mehr schadet als nutzt. Wie sind Eure Erfahrungen?
Was ist mit Pferden, die für ein Wochenende auf ein Turnier oder mit zu einem Hufkurs (Box mit Heu) gehen, einen mehrtägigen Wanderritt machen oder die in den Urlaub für 1 - 2 Wochen mitgenommen werden? Heu und Gras (falls möglich) haben woanders evtl. eine andere Zusammensetzung als zuhause.

Zu der kurzfristigen Futterumstellung kommt dann noch der Streß durchs Fahren und die neue Umgebung hinzu, wenn das wirklich so viel ausmacht, müßten ja alle Pferde, die öfters fern der Heimat unterwegs sind, Probleme haben.

Sani
Barbie und Nepomuk, Haflinger, 17 Jahre, LAG-Stall, Sommer: Magerweide, Futterstroh/Heu
Winter: Bio-Heu
Zusatzfutter: Grünhafer, Barbie: Magnokollagen

Carina
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Carina » Sa 9. Aug 2014, 17:32

Hallo Sani,

man kann doch bei fast allen Unternehmungen auch Gras finden, oder zumindest das Pferd an der Hand grasen lassen.
1 Tag ohne grasen ist kein Problem, wenn man jetzt wirklich Sa + So am Turnier ist, kann man ja am Sonntag Abend noch grasen lassen. Hätte das Pferd dann ja auch sehr verdient!
Auch beim Wanderritt sollte es kein Problem sein, Gras zu finden, wir leben ja nicht in der Wüste. Wenn ich mich von meinem Pferd den ganzen Tag durch die Gegend tragen lasse, sollte ich Abends auch noch für ein wenig Gras sorgen können.

Grüße

Carina

Saskia & Facu
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Saskia & Facu » Sa 9. Aug 2014, 18:35

sehr interessantes Thema. :)
hab die Problematik ja sozusagen auch und wurde schon oft gefragt: "Aber Heu wird doch auch aus Gras hergestellt?"
vielleicht gibts da ja ein wenig Wissenschaftliches zu. Wahrscheinlich muss man aber sozusagen im englischsprachigen Raum suchen.

vielleicht spielt auch noch herein, dass oben im Halm ja weniger Fruktan stecken soll als unten. Heu wird ja (hoffentlich) von einer überständigen Wiese gemacht. Das Gras hat schon geblüht, seine Aufgabe sozusagen erfüllt. In den meisten Ställen werden die Pferde aber schon vor der Blühte des Grases, wenn es sozusahen gerade grün wird draußen sofort auf die Wiese getan. meistens teilen sich viele Pferde wenig Weide, das Gras wird gestresst usw. Oft sieht man Pferde auf total abgegrasten Weiden. Es haben schon mehrere hier im Forum die Erfahrung gemacht, dass Pferde total Fett auf raspelkurzen Weiden werden, auf überständigen hingegen nicht.
Das ganze Thema ist ne Wissenschaft für sich.

Aber wie Katie schon schrieb. Das Heu schwankt auch im Zuckergehalt und sollte auch möglichst wenig enthalten. Viele Rehepferde haben einen dauerhaft gestörten Stoffwechsel. Meiner zum Beispiel ja auch und der bekommt sein Heu aus engmaschigen Netzen damit er sehr wenig auf einen längeren Zeitraum zu sich nimmt (was ihm anscheinend auch sehr gut tut)

katiebell
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von katiebell » Sa 9. Aug 2014, 18:42

Hier gibt es Infos: www.safergrass.org
Kurzes Gras enthält viel Zucker.

Saskia & Facu
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Saskia & Facu » Sa 9. Aug 2014, 18:50

katiebell hat geschrieben:Hier gibt es Infos: http://www.safergrass.org
Kurzes Gras enthält viel Zucker.
gerade gefunden:
http://www.safergrass.org/pdf/sugar_in_hay.pdf
geht schon sehr in die Richtung ;)
Some sugar will be lost in hay curing, because even a
fter cutting, forage plants will continue to metabolize sugars
until the moisture levels are below about 40%. The generation of C02 from the respiration of sugars will make dry
matter content decrease until respiration ceases. That is why the length of dry
ing time is a factor in how much
sugar gets spent during curing. Cool cloudy weather, with high humidity that increases the curing period will result
in lower levels of sugar in the resulting hay. A light rain may leach out a significant amount of sugars,
and further
slow down the drying process. This is why ‘rained on’ hay is not considered of dairy quality, even if conditions
after the rain were good for drying, and the hay goes up without any mold. It takes a heavy rain, or extremely long
term curing to
damage protein. I contend that some of this hay that is considered of lesser quality may be the
most appropriate for laminitic horses.
Zuletzt geändert von Saskia & Facu am Sa 9. Aug 2014, 18:58, insgesamt 1-mal geändert.

Carina
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Carina » Sa 9. Aug 2014, 18:52

Saskia & Facu hat geschrieben:sehr interessantes Thema. :)
vielleicht spielt auch noch herein, dass oben im Halm ja weniger Fruktan stecken soll als unten. Heu wird ja (hoffentlich) von einer überständigen Wiese gemacht.
Wenn ein Stallbesitzer das Heu selbst macht, kann man das tatsächlich hoffen.
Bei uns wird fast alles Heu zugekauft.
Ich fürchte, meist wird nach Preis gekauft. Vielleicht noch nach Geruch und Farbe.
Bin gar nicht sicher, ob jeder SB erkennt, ob das Heu von überständigem Gras stammt (ich würde mich damit schwertun, aber ich kaufe ja auch kein Heu).
Und wenn´s dann billiges, minderwertiges Heu ist, wäre das Pferd dann am Ende auf der Wiese / auf Gras besser aufgehoben?

Grüße
Carina

Carina
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Re: Pferde "vom Gras nehmen"

Beitrag von Carina » Sa 9. Aug 2014, 18:55

katiebell hat geschrieben:Hier gibt es Infos: http://www.safergrass.org
Kurzes Gras enthält viel Zucker.
Danke für den Link, katiebell!

Die Webseite ist aus USA, oder?
Ein paarmal war ich schon in USA. Gerade im Süden hab ich dort ganz anderes Gras gesehen als bei uns.
Lässt sich das denn auf "deutsches" Gras übertragen.

Grüße
Carina

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