Wandresektion

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SilentDee
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Beitrag von SilentDee » Di 15. Jan 2013, 20:04

So, da ich ja grad arbeitslos und verrenkt zuhause herumhänge, mache ich noch mal einen Lehrfall zu einem andren Thema. Die Besi möchte nämlich unbedingt, dass möglichst viele Pferdebesitzer mit gleichen Problematiken die Alternative zur schulmedizinischen Behandlung finden - sie hatte damals nichts darüber gefunden, war sehr unsicher.

Ein Pferd wurde mir vorgestellt mit der Beschreibung:

Stute, hat sich bei einem Hängervorfall die eine Hufwand hohl gerissen. Da es so nicht in den Griff gekriegt werden konnte, Klinik und OP. Wandresektion. Nun steht die Stute in der Klinik. Sie soll auf Rat der Klinikärzte und des Schmiedes ein paar Monate stehen, strikte Boxenruhe unter erst Hufverband, dann Spezialbeschlag mit Kunsthornaufbau evtl. Anfangs Gips zur Stabilisierung.
Geht das nicht auch anders? Besi hätte sie gern Zuhaus, nicht in der Klinik, und das Pferd ist etwas speziell und nervös, da geht monatelange Boxenruhe nur schlecht.

Bild:
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Leider hatte das Pferd auch unguten fauligen Strahl, unterentwickelt, mit tiefer mittlerer Strahlfurche, fünne, platte Sohle und lief stark fühlig...

Aber, es nützt ja nichts, das Pferd war etwas schwierig zu handeln, weil es sehr viel Energie hat. Und rennen will! :lol:

Also, Barhuf, dazu anfangs Krankenschuh für das Rennen draußen, um die dünne Sohle und das Hufbein zu schützen. Denn das Stütchen rannte, als man es lies, wie eine Irre voller Lebensfreude die Energie aus dem Leib, die sich angesammelt hatte. Wow, schönes Bild.
Allerdings nicht so optimal auf nasser weide mit dem Krankenschuh und termino, oder wie hiess das noch bei Spaniern??? Der flog bald. und wurde weggelassen draußen. Aber auch nicht mehr benötigt.

Als erste Amtshandlung entfernten wir den Gips, der noch aus der Klinik war. Und darunter war fauliges, feuchtes Horn... Eher kontraproduktiv. und die Idee von der unbedingten Stabilisierung der Hornkapsel, den schauen wir uns nun mal an. ;) (Detaillierter ist alles beschreiben auf meiner HP im Fallbeispiel)


Erst mal: Alle Wände in vorderem 2/3 aus der Tragkraft, Trachten zurück, wir wollen Sohlenschwielen, denn wir wollen keine exteme ML-Imbalance, denn an der einen Seite trägt die Wand ja nun gar nicht, und wenn die andere Seite dann auch nur ein paar mm zu lang wird, bringt die eh schon mehbelastung auf der Seite dann einen echt schiefen Huf. Also darf das Sohlenhorn nun mal was tun...

2 Wochen machte die Besi nach der Erstbearbeitung sich die Mühe mit dem Schuh, dann nicht mehr, denn die Sohle schob Hornschwielen ohne Ende, Stute wurde immer unfühliger. Zmal 2 x täglich der Huf gesäubert und desinfiziert wurde.

Dann hat die freigelegte Lamellenschicht ganz schnell ein Kithorn gebaut, sie liegt also nicht mehr frei.
Und da der Huf ja merkt, dass er verletzt ist, schiebt er Horn ohne Ende!

Pferdehufe sind soooo gut anpassbar auf plötzlich eintretende Probleme. Immerhin will Pferd in der Natur überleben, und dafür muss es schnell wieder laufen können.

Und: dieses Pferd bekam nachts pinibel sauber gemistete Box mit Spänestreu, tagsüber Weide, und die war nass und weich. :lol: Und jede private und abgesammelte Weide ist tausend mal hygienischer als ein Wattehufverband in einer schlecht gemisteten Box, wenn er mal in Ammoniak-Piesch-Ecken gesteckt wird... und Luft ist gut!

Am 25. August sah der Huf dann so aus:
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Schon bedeutendes Wachstum sichtbar, was?
Interessant ist die selbstheilungskraft des Hufes, das Kithorn, was die Lamellenschicht gebildet hat, erweckt den Eindruck, es sei Wand vorhanden... Schaut die Sohlenansicht an:
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Am 26. Oktober sah der Huf dann schon so aus. Leider fiel einmal zwischendurch der Termin aus wegen Urlaub der Besi zur Zeit meiner Tour, sie musste mitraspeln...
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Er ist also mehr aus der Balance, als geplant, aber hey, das ist nichts, was man nicht wieder bekämpfen könnte...

Am 11.Januar des nächsten Jahres, also knapp 6 Monate nach der OP, sah es dann so aus:

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Am Boden angekommen ist mittlerweile der obere Bereich der Wandresektion.
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Das erkennt man in der Sohlenansicht super, auch das Kithorn...
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Im Februar dann diese Ansicht:
Natürlich erkennt man noch, dass da was war, vor allem in der balance, aber die Feinarbeit kommt eben im Anschluß, wenn die Wand wieder überall gleichmäßig trägt.
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Pferd läuft weiter barhuf, bekommt wegen ganz schlechtem Gelände ab und an Hufschuhe drunter, aber es läuft nicht fühlig, ist eher eine vorbeugende Maßnahme. Schadet ja nicht, warum auch nicht? Und beruhigt die Besi. und man muss sich keine Gedanken machen, wenn man mal an steinigeren Strandabschnitten entlangdonnert. :lol: oder mal mehr Tempo auf Schotterpisten geht.

Aktuelle Bilder habe ich grad nicht, verspreche aber, in 6 Wochen welche zu machen und hier noch einzustellen.

Barhuf geht also auch bei Wandresektionen - man muss die wand nicht nachbauen... kapseln platzen nicht, fallen nicht ab, sondern wachsen einfach nach... Aber die Hufe dürfen nicht zu lang sein.

:lol:

LG

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Re: Wandresektion

Beitrag von Puschel » Di 15. Jan 2013, 22:52

Tolles Beispiel, danke fürs Zeigen :D
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Re: Wandresektion

Beitrag von TinaH » Mi 16. Jan 2013, 11:12

Ich bin beeindruckt :shock: :shock: :shock:

Es ist echt super wichtig, daß sowas dokumentiert und gezeigt wird, VIELEN DANK!
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Re: Wandresektion

Beitrag von Jouna » Mi 16. Jan 2013, 11:19

ist schon beeindruckend, was für Selbstheilungskräfte das Pferd / der Huf hat. Immer wieder toll so was dokumentiert zu sehen, was vermutlich ein Großteil der Tierärzte als Möglichkeit ausschliessen würden. Das gibt einem selbst ja auch andere Perspektiven, wenn man es mit so einem Fall zu tun bekommt.

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Re: Wandresektion

Beitrag von SilentDee » Do 17. Jan 2013, 21:26

Ja, deswegen bin ich bei problematischen und gleichzeitig doch auch sehr krassen Hufen immer fleissig dabei mit Fotos... zum Zeigen, damit es mehr publik wird, was Barhuf eigentlich möglich ist und wie unproblematisch.

Wenn man mal davon wegkommt, immer weiter reiten zu wollen. Ein Pferd mit kranken Hufen hat genauso eine Rekonvaleszenzzeit verdient wie ein Pferd mit kranken Sehnen... Und manchmal als "Medizin" eben mal ein Polster oder Hufschuh, dann dauert die Rekonvaleszenz gar nicht lange, denn die Pferde brauchen für die Hufgesundheit eben möglichst viel Bewegung (in den meisten Fällen).

Und in diesem Fall ist die Besitzerin mit den Fotos echt rum gegangen und hat auch dem Schmied, den Klinikärzten usw gezeigt, wie schnell es barhuf gegangen ist. ich meine, ein halbes Jahr ist echt nicht viel, in der das Pferd nun ca 2 - 3 Wochen ganz blöde gelaufen ist auf hartem Boden, und mal desinfiziert und Huf gewaschen werden musste... Und ab da an immer aufwärts, Bewegung usw. ;)

War trotz Hufschuhe bedeutend günstiger und schneller (und viel risikofreier!) als teure Klinikaufenthalte mit Kunsthornaufbauten (Bakterien können drunter bleiben und sich massiv ausbreiten + sehr teurer, geht auch zu Haus...) und Spezialbeschlag mit Stehzeit.

Heute ist die Stute übrigens tragend.... :mrgreen: und das Fohli bekommt bestimmt auch gaaanz tolle Hufe, denn mitterweile gibt es da unterschiedliche Böden und ganz viel bewegung und eine sehr gut geschulte, mitraspelnde Besi!

LG

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Re: Wandresektion

Beitrag von Solveig » Do 17. Jan 2013, 22:45

Wahnsinn, wie schnell das gewachsen ist. Danke für die Dokumentation! Solche Fallbeispiele bekommt man ja in der Ausbildung meist nicht zu Gesicht. Ist vielleicht besser so, dass es das selten gibt ... :)

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Re: Wandresektion

Beitrag von Aik » Fr 18. Jan 2013, 09:27

Wow, ich bin gerade total beeindruckt wie schnell das gegangen ist, nur ein halbes Jahr.

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Re: Wandresektion

Beitrag von SilentDee » Fr 18. Jan 2013, 16:07

Ja, ich konnte schon oft beobachten, dass Hufe sehr schnell wachsen, wenn man sie 1.) kurz macht und hohen Abrieb imitiert und 2.) sie verletzt sind. Denn wenn der Huf das nicht schnell kompensieren könnte, dann hätten die Pferde die Evolution bestimmt nicht sooo lange und schon sooo früh "fertig" überstanden. In den letzten Jährchen haben sich ihre Hufe usw ja nicht mehr verändert... scheint ein ausgereiftes System zu sein, nicht wahr?

;)

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